Biomasse kann in der Industrie
- strukturell,
- stofflich oder
- energetisch
genutzt werden. In allen Nutzungspfaden wird der Bedarf voraussichtlich deutlich zunehmen. Durch die Umstellung und die vermehrte Nutzung von biobasierten, nachhaltigen Produkten wird der Biomasseeinsatz in bestehenden Wirtschaftszweigen mit eher strukturellem Einsatz hoch bleiben, beziehungsweise tendenziell noch zunehmen, wie in der Papier-, Textil- und Baustoffindustrie. Darüber hinaus wird sich die stoffliche Nutzung vor allem in Branchen erhöhen, die Kohlenstoff für ihre Produkte oder in ihren Prozessen benötigen. Hier muss zur Erreichung von Klimaneutralität fossiler Kohlenstoff durch nachhaltige Alternativen ersetzt werden (Defossilisierung). Biomasse ist dabei eine nachhaltige Kohlenstoffquelle, die auch im Rahmen einer CO2-Wirtschaft und Circular Economy berücksichtigt werden muss. Zu diesen Branchen zählen vor allem die chemische Industrie und die Metallurgie. Zudem wird Biomasse zur Bereitstellung von Energie im industriellen Bereich genutzt.
Struktureller und stofflicher Biomasseeinsatz
Bereits heute werden rund 3,6 Millionen Tonnen nachwachsende Rohstoffe stofflich in unterschiedlichen Anwendungsbereichen der Prozessindustrie eingesetzt (Stand 2020) – etwa 72 Prozent davon in der chemischen Industrie zur Herstellung biobasierter Zwischen- und Endprodukte (wie Fein- und Spezialchemikalien oder Biopolymere). Perspektivisch wird sich der Biomasseeinsatz allein in der chemischen Industrie laut Prognosen bis 2040 vervierfachen.
Auch in der Metallurgie ist perspektivisch eine Steigerung des Biomasseeinsatzes zu erwarten. Sie kann hier theoretisch in Form von Biokohlen(-staub) als Substitut für fossilen Kohlenstoff zur Reduktion der metallischen Erze (zum Beispiel in der Aluminium- oder Eisen- und Stahlherstellung) oder zur Einstellung der gewünschten Materialeigenschaften (wie beim Aufkohlen in der Eisen- und Stahlherstellung) eingesetzt werden. Die Nutzung von Biomasse beziehungsweise Biokohlen als Kohlenstoffquelle in metallurgischen Prozessen ist aktuell noch Gegenstand der Forschung und wird je nach Verfahren, Einsatzzweck und anvisiertem Endmetall im Labormaßstab bis hin zu Pilotanlagen getestet. Auch dadurch wird die Biomassenutzung voraussichtlich weiter zunehmen.
Prozesswärme aus Biomasse
Neben dem strukturellen und stofflichen Einsatz ist Biomasse im industriellen Kontext verstärkt zur Bereitstellung von Prozesswärme sinnvoll. Biomasse bietet dabei den Vorteil, Hochtemperatur-Prozesswärme auf entsprechenden Temperaturniveaus (bis zu 500 °C bei der direkten thermischen Nutzung von unbehandelter fester Biomasse oder bis über 1.500 °C bei aufbereiteter Biomasse wie Industriepellets, Biokohlen oder Biomethan) bereitstellen zu können. Der Einsatz in Niedertemperatur-Anwendungen erscheint daher wenig sinnvoll. Die Nutzung für Prozesswärmebedarfe empfiehlt sich insbesondere dann, wenn zusätzlich zur Wärme auch noch Kohlenstoff in den Prozess mit eingebracht werden muss, das heißt sowohl eine thermische als auch eine stoffliche Nutzung – als sogenannte Koppelnutzung – erfolgen kann. Auf diese Weise lässt sich Biomasse besonders effizient einsetzen.
Alternativ kann der Biomasseeinsatz zur Prozesswärmebereitstellung in Anwendungen erfolgen, in denen prozessbedingtes CO2 auftritt und voraussichtlich auch in Zukunft abgeschieden werden muss, wie bei der Zement- und Kalkherstellung. Hier bietet sich mit dem Einsatz von Biomasse und der Abscheidung und anschließenden Speicherung des Kohlendioxids (BECCS) die Möglichkeit, negative Emissionen zu erzeugen. Alternativ ist auch eine stoffliche Nutzung des abgeschiedenen Kohlendioxids (BECCU) denkbar, zum Beispiel als Einsatzstoff in der chemischen Industrie.