Klimaneutrale Prozesswärme

Eine nachhaltige Prozesswärmeerzeugung ist unerlässlich, um Industrieprozesse klimaneutral umzugestalten 

Ob Trocknen, Schmelzen oder Schmieden – ohne Prozesswärme wären technische Verfahren in der Industrie nicht denkbar. Zwei Drittel des Endenergiebedarfs der deutschen Industrie werden hierfür benötigt. 

Mit dem Begriff „Prozesswärme“ ist Wärme gemeint, die für bestimmte technische Prozesse zur Herstellung, Weiterverarbeitung oder Veredelung von Produkten benötigt wird. Etwa 451 Terawattstunden benötigt die Industrie in Deutschland jährlich für die Erzeugung dieser Prozesswärme, das entspricht knapp 19 Prozent des gesamten deutschen Endenergiebedarfs (Stand 2022). Dabei stellen die verschiedenen Industriezweige und -prozesse höchst unterschiedliche Anforderungen an das Temperaturniveau: Während das Trocknen von Papier bereits ab etwa 160 Grad Celsius (°C) möglich ist, benötigen Brenn- und Schmelzprozesse Temperaturen bis zu deutlich über 1.000 °C, vereinzelt bis zu 3.000 °C.  

Auch Kälte zählt zu den Wärmeanwendungen, jedoch macht der Endenergiebedarf für Prozesskälte und Klimatisierung im Industriesektor mit rund 14 Terrawattstunden pro Jahr einen eher geringen Anteil von lediglich zwei Prozent aus im Vergleich zu Prozesswärme mit rund 68 Prozent. 

Mit Strategie zur industriellen Wärmewende

Noch liefern fossile Brennstoffe wie Kohle, Gas und Öl mit einem Anteil von über 70 Prozent den Hauptanteil industrieller Prozesswärme. Um die hierbei entstehenden CO₂-Emissionen zu vermeiden und eine klimaneutrale Prozesswärmeversorgung zu erreichen, empfiehlt sich die Aufteilung der zentralen Handlungsfelder in einen vierstufigen Prozess (Vier-Stufen-Grafik). Dieser sollte als letzter operativer Schritt an eine strategische Herangehensweise anknüpfen, welche in der nachfolgenden Grafik dargestellt ist.  

Vier Stufen zur klimaneutralen Prozesswärmeversorgung

Für eine vollständige Vermeidung der energiebedingten Emissionen ist zukünftig in der Regel ein Energiemix erforderlich.  Das Vier-Stufen-Modell zur Umstellung auf eine klimaneutrale Prozesswärmeversorgung sieht konkret folgende aufeinander aufbauende Handlungsmöglichkeiten vor: 

 

  • Efficiency First! Den Wärmebedarf anhand von Prozessoptimierungen und der Nutzung von Einsparpotenzialen zu senken leistet den besten Beitrag zum Klimaschutz. Die darüber hinaus anfallende „unvermeidbare“ Abwärme kann, je nach Temperaturniveau, auf vielfältige Art sowohl intern als auch extern über Wärmenetze genutzt werden. 

 

  • Mittels regionalererneuerbarer Wärmequellen lassen sich viele Wärmebedarfe z.B. für Wasch- oder Trocknungsprozesse, decken. Solarthermie und Tiefengeothermie können, je nach Prozess und Bedarf, als Ergänzung oder alleinig Prozesswärme bereitstellen und damit Abhängigkeiten vom Energiemarkt reduzieren. 

 

  • Elektrifizierung oder„Power-to-Heat“ meint die elektrische Wärmeerzeugungmit erneuerbarem Strom, die gegenüber konventioneller Verfahren Effizienzvorteile bietet (siehe Grafik zur Gegenüberstellung von Elektroden- und Gaskessel). Elektrische Erwärmungstechnologien eignen sich neben der Dampferzeugung beispielsweise auch für Schmelzprozesse, so zum Beispiel in der Glas-, Aluminium- oder Stahlherstellung.  

 

Um die Kosten einer klimafreundlichen Produktion von industrieller Prozesswärme durch Wärmepumpen und Elektrodenkessel abzuschätzen, bietet Agora Industrie einen Transformationskostenrechner Power-2-Heat zum Download an.  

 

  • Die Nutzung alternativer und speicherbarer Energieträger wird künftig eine wichtige Rolle spielen: Trotz anfallender Umwandlungsverluste bei der Herstellung werden synthetische Energieträger (wie grüner Wasserstoff) in vielen Industrieprozessen notwendig sein. Die Nutzung von Biomasse oder Biomethan empfiehlt sich besonders in Prozessen, in denen neben Wärme auch Kohlenstoff benötigt wird, so erfüllt die Biomasse neben der energetischen Nutzung auch einen stofflichen Nutzungszweck, wie etwa in der Eisen- und Stahlerzeugung. 

Alternative Technologien zur Prozesswärmebereitstellung

Je nach gefordertem Temperaturniveau stehen unterschiedliche Technologien zur Prozesswärme- und Dampfbereitstellung zur Verfügung und werden hinsichtlich der zu erreichenden Temperaturniveaus und Anwendungsfälle stetig weiterentwickelt. 

Zur Nutzung erneuerbarer Wärmequellen eignen sich insbesondere solar- und geothermische Anlagen. Geothermisch können in ganz Deutschland lokal Temperaturen bis zu 180 °C bereitgestellt werden, wobei etwa durch die zusätzliche Nutzung von Hochtemperatur-Wärmepumpen noch höhere Temperaturen möglich sind. Mittels konzentrierender Solarthermie können je nach Standort bereits heute Betriebstemperaturen von bis zu 400 °C in Deutschland gewährleistet werden. 

(Hochtemperatur-)Wärmepumpen (Stand der Technik: bis 160 °C; im Pilotmaßstab aktuell bis zu 300 °C), Power-to-Heat-Technologien wie Elektrodenkessel, Induktionsöfen und Elektrolichtbogenöfen (Betriebstemperatur bis 3.500 °C) und weitere elektrothermische Verfahren (wie Hochfrequenzerwärmung, Infraroterwärmung) eignen sich darüber hinaus zur Elektrifizierung.  

Perspektivisch kann nachhaltige Prozesswärme zudem über den Einsatz von grünem Wasserstoff, zum Beispiel in speziellen Brennern oder (Hochtemperatur-)Brennstoffzellen (bis 1.000 °C) bereitgestellt werden. 

Das Umweltbundesamt hat im Rahmen der Publikation „CO₂-neutrale Prozesswärmeerzeugung“ ein Tool zur Berechnung der Wirtschaftlichkeit und der Marktdiffusion CO₂-neutraler Techniken bereitgestellt, mit dem verschiedene Technologien in unterschiedlichen Szenarien verglichen werden können. 

Versorgungssicherheit und Infrastruktur

Prozesswärme ist für industrielle Produktionsverfahren und damit das Hauptgeschäft vieler Unternehmen essenziell. Um Produktionsausfälle und damit wirtschaftliche Risiken oder gar Schäden an Anlagen zu verhindern, muss die Versorgung sichergestellt sein. Dafür ist zukünftig insbesondere bei leitungsgebundenen Energieträgern, wie erneuerbarem Strom oder Wasserstoff, der Auf- und Ausbau einer leistungsfähigen Netzinfrastruktur dringend notwendig. 

 

Das sensible Stromnetz etwa erfordert zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität flexible Kraftwerke. Auch Industrieunternehmen können zukünftig einen Beitrag zur notwendigen Flexibilisierung und Netzstabilisierung leisten: In Zeiten eines Überangebots können sie Solar- und Windstrom flexibel und kostengünstig für ihre Wärmeproduktion einsetzen und so die Energie speichern. Insbesondere bei der Elektrifizierung von Prozesswärme sind jedoch teilweise erhöhte Netzanschlusskapazitäten nötig. Deswegen ist eine frühzeitige Absprache mit dem Netzbetreiber hilfreich. Zusätzlich können sich Unternehmen in den Prozess der Übertragungsnetzplanung einbringen.  

 

Informationen zum Konsultationsverfahren des Netzentwicklungsplans Strom (NEP Strom)  

 

Dies gilt ebenso für den Aufbau einer Transport- und Speicherinfrastruktur für Wasserstoff. Industrieunternehmen können ihre Bedarfe bei den Fernleitungsnetzbetreibern melden, sodass sie entsprechend in die Netzentwicklungsplanung einbezogen werden können.  

 

Informationen zum Wasserstoffnetz und zum Netzentwicklungsplan Gas (NEP Gas) 

 

Im Rahmen der Systementwicklungsstrategie (SES) wird darüber hinaus vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) eine sektorübergreifende Strategie für die Transformation des Energiesystems entwickelt.  

 

Viele Industrieprozesse werden außerdem auch heute schon über Fernwärme versorgt. Die Zukunftsentwicklung von Wärmenetzen soll im Rahmen von Transformationsplänen erfolgen.  

NRW.Energy4Climate unterstützt Leuchtturmprojekte

Finanzielle Unterstützung bei der Prozesswärmewende

Einen Überblick über aktuelle Fördermöglichkeiten bietet das FÖRDER.NAVI. Das Land NRW bietet außerdem im Rahmen des Förderpakets Klimaneutraler Mittelstand passende Fördermittel.

Ihr Kontakt

Klaas Breitkreuz

Projektmanager Industrie & Produktion

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Laura Graziano

Projektmanagerin Industrie & Produktion

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Jill Zaluskiewicz

Projektmanagerin Industrie & Produktion

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