Im Fokus: Bürgerenergie

02.02.2023

Die finanzielle Beteiligung von Bürger:innen an Erneuerbare-Energien-Projekten ist ein entscheidender Faktor für die Energiewende. Bürgerenergie schafft Akzeptanz durch Transparenz, Mitbestimmung und mehr Wertschöpfung in der Region. Zudem tragen Engagement und Knowhow der Bürger:innen oft wesentlich zum Erfolg von Projekten bei. Wie Kommunen engagierte Bürgerinitiativen bei ihren Vorhaben unterstützen können, erklärt Mirko Sieg, Fachexperte Kommunaler Klimaschutz bei NRW.Energy4Climate.

Brandbriefe, Demonstrationen und Protestaktionen sind keine Seltenheit, wenn es um Energiewendeprojekte geht, die das Landschaftsbild verändern. Nicht nur Stromtrassen oder Windenergieparks sind davon betroffen. Auch so mancher Solarpark ist schon gescheitert, weil sich die Bürger:innen vor Ort nicht ausreichend abgeholt fühlten. In manchen Kreisen Nordrhein-Westfalens gehört die finanzielle Beteiligung von Bürger:innen und Kommunen daher schon länger zum guten Ton. Der Normalfall ist sie allerdings nicht. Das ist bedauerlich, denn Bürgerenergie kann Widerstände abbauen, Vielfalt und Demokratie in der Energiewende steigern und das Gemeinwohl in der Region maßgeblich positiv beeinflussen. 

 

Kommunen und Bürger:innen wissen oft nicht um die Vorteile einer Zusammenarbeit beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Doch aufgrund gemeinsamer Interessen und komplementärer Fähigkeiten lassen sich erhebliche Synergiepotenziale heben. Wer entwickelt das Projekt, wer finanziert, wer kommuniziert? Das alles können auch Bürger:innen übernehmen. Genauso wie den späteren Betrieb der Anlagen. Die Stadtwerke bringen technisches Knowhow ein, wenn nötig. Mitarbeitende von Kommunen unterstützen bei Genehmigungsverfahren und Wegerechten. Die lokale Volksbank oder Sparkasse übernimmt die Verwaltung des Bürgerkapitals und die Fremdfinanzierung. So zum Beispiel könnte eine erfolgreiche Zusammenarbeit für ein Bürgerenergieprojekt aussehen. 

 

Der Dialog mit motivierten Bürger:innen lohnt sich also. Dann lässt sich gemeinsam ausloten, was es konkret zu beachten gilt und wie die Aufgaben optimal zwischen den Akteuren verteilt werden. Wenn Kommunen dabei aktiv auf ihre Bürger:innen zugehen wollen, haben sie dazu unter anderem folgende Möglichkeiten: 

 

1. Flächen an Bürgerenergiegesellschaften verpachten 

Eine einfache und naheliegende Möglichkeit, Bürgerenergieakteure zu unterstützen, ist es, ihnen kommunale Flächen zur Pacht anzubieten. Dächer von kommunalen Gebäuden für Photovoltaikanlagen, Freiflächen im Außenbereich für Windenergieanlagen und Solarparks. Mit dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2023 wären auch kommunale Gewässer oder Parkplatzflächen denkbar. 

Da es sich dabei nicht um eine Beschaffung, sondern eben um eine Verpachtung handelt, ist dafür nicht unbedingt ein förmliches Vergabeverfahren nötig. Die Absicht zur Verpachtung sollte aber im Vorfeld öffentlich gemacht werden und der Pachtzins grundsätzlich dem Marktwert entsprechen. Vorsicht ist geboten, wenn die Kommune auch Strom aus den neu zu errichtenden Anlagen beziehen möchte. Dann ist die Verpachtung zugleich mit einer Strombeschaffung verbunden, was in der Regel auch für die Verpachtung ein förmliches Vergabeverfahren nötig macht. 

Das muss aber kein Hindernis sein. Kommunen können bei der Vergabe gezielt auf Bürgerenergieakteure zugehen, indem sie zum Beispiel in der Leistungsbeschreibung ein Konzept zur Bürgerbeteiligung einfordern und in den Zuschlagskriterien ein Bewertungsschema dafür formulieren. Dann haben gute Konzepte von Bürgerenergieakteuren schnell die Nase vorn. 

 

2. Projekte selbst realisieren und Bürger:innen beteiligen 

Wenn Stadtwerke oder Kommunen selbst Projekte realisieren möchten, können sie Bürger:innen auch eine unternehmerische Beteiligung anbieten. Für Wind- oder Solarparks werden oft separate Projektgesellschaften gegründet, zum Beispiel eine GmbH und Co. KG. Dann können Genossenschaften oder Einzelpersonen Kommanditanteile erwerben und dadurch Mitspracherechte und Gewinnausschüttungen erhalten. 

Andererseits beteiligen beispielsweise Stadtwerke Bürger:innen bisweilen auch über rein finanzielle Anlageprodukte an Erneuerbare-Energien-Projekten. Dies geschieht etwa über Sparbriefe, Nachrangdarlehn oder Genussrechte – dann in der Regel mit fester Verzinsung und begrenzter Laufzeit ohne unternehmerisches Mitspracherecht. Über Crowdinvesting-Plattformen bündeln solche Anlageprodukte oft in kürzester Zeit beträchtliche Summen an Investitionskapital. 

 

3. Sich als Kommune an Bürgerenergiegesellschaften beteiligen 

Eine Beteiligung von Kommunen oder Stadtwerken an Bürgerenergiegesellschaften kann ebenfalls eine hilfreiche Unterstützung sein. Bereits der symbolische Kauf von ein paar Genossenschaftsanteilen kann das Vertrauen der Anwohner in die lokale Genossenschaft stärken. Die Gemeindeordnung NRW lässt solche Beteiligungen unter bestimmten Voraussetzungen zu. 

Zudem können Gemeindevertreter wie Bürgermeister:innen oder Klimaschutzmanager:innen auch als Einzelpersonen Mitglied einer Genossenschaft werden. Auch das stärkt das Vertrauen und fördert den praktischen Austausch zwischen Bürgerenergiegesellschaft und Kommune. Mitarbeitende von Stadtwerken sind ebenfalls gerngesehene Genossenschaftsmitglieder, die ihr Fachwissen beispielsweise im Bereich der Energietechnik oder zu den Begebenheiten vor Ort einbringen. 

 

4. Bürgerbeteiligung auch von Dritten einfordern 

Wenn es um Erneuerbare Energien auf privaten Flächen geht, sinken die Einflussmöglichkeiten der Kommunen im Vergleich zu Projekten auf gemeindeeigenen Flächen. Aber auch hier können Kommunen positiven Einfluss nehmen, zum Beispiel über die Bauleitplanung, über eigene Leitlinien oder auch als Moderatoren im Kommunikationsprozess. Wenn alle relevanten Akteursgruppen – also etwa Projektentwickler:innen, Flächenbesitzer:innen, Kommune, Stadtwerk, lokale Genossenschaft und lokale Kreditinstitute – an einem Tisch sitzen, lassen sich leichter geeignete Lösungen zur Bürgerbeteiligung finden, als wenn nur die Investoren Projekte vorantreiben. 

Viele Kommunen und Kreise haben schon jahrelange Erfahrung mit solchen Prozessen. Dabei machen sie zum Teil auch sehr konkrete Vorgaben zu den gewünschten Beteiligungsformaten. Ein Vorreiter ist hier der Kreis Steinfurt, der bereits im Jahr 2011 Leitlinien zur Beteiligung von Bürger:innen und Kommunen mit regionalen Akteuren erarbeitet hat. Diese wurden seitdem erfolgreich bei vielen Bürgerwindparks berücksichtigt. Kürzlich haben die Beteiligten aus Landwirtschaft, Naturschutz, Stadtwerken, Kommunen, Windbranche und Kreisverwaltung die Leitlinien überarbeitet und die Teilhabemöglichkeiten noch erweitert. Zudem umfassen die neuen „Leitlinien Bürgerenergie“ auch größere Solarprojekte und berücksichtigen die neu gegründete „Energieland Kreis Steinfurt Bürgerenergiegenossenschaft eG“. 

 

5. Bürgerenergieakteure anderweitig unterstützen 

Die weiteren Möglichkeiten zur Unterstützung der Bürgerenergie sind vielfältig. Dies kann schon bei der Bereitstellung von Räumlichkeiten beginnen, in denen sich Bürgerenergieinitiativen treffen können. Kommunen und Stadtwerke können sich – wenn gewünscht – auch direkt in die Projektentwicklung einklinken, zum Beispiel bei Genehmigungen, Wegerechten oder energietechnischen Detailfragen. 

Kommunen sind zudem gute Multiplikatoren, wenn es darum geht, Bürgerinitiativen und ihre Projekte bekannt zu machen. Mit einer Bürgersolaranlage auf einer kommunalen Dachfläche kann die Gemeinde etwa als gutes Vorbild vorangehen und Bürger:innen zum Mitmachen motivieren. So ergeben sich für lokale Initiativen gegebenenfalls Chancen, die weit über das ursprüngliche Projekt hinausgehen. 

Es gibt also viele Wege, wie Kommunen lokale Bürgerenergieakteure unterstützen können. So kann es möglicherweise auch gelingen, Protestaktionen bei zukünftigen Energiewendeprojekten zuvorzukommen.  

Für welchen Weg sich Kommunen auch entscheiden mögen, die Landesgesellschaft für Energie und Klimaschutz, NRW.Energy4Climate, steht Gründungsinitiativen, Unternehmen, Stadtwerken und Kommunen bei Fragen rund um das Thema Bürgerenergie gerne als Ansprechpartnerin zur Seite.

 

Hier finden Sie mehr Informationen und die Kontaktdaten von Mirco Sieg, Fachexperte Kommunaler Klimaschutz bei NRW.Energy4Climate.
 

Dieser Text wurde zuerst als Namensbeitrag in der Januar/Februar-Ausgabe 2023 der Zeitschrift STÄDTE- UND GEMEINDERAT veröffentlicht.