Energiespar-Contracting: Wie die Stadt Krefeld über 200 Liegenschaften energetisch fit macht

27.11.2023

Interview mit Rachid Jaghou, Leiter des Zentralen Gebäudemanagements der Stadtverwaltung Krefeld

Um ihren Bestand von 228 Liegenschaften und rund 700 Gebäuden auf Energieeffizienz zu trimmen, braucht eine Kommune erst mal: Mut. Die Stadt Krefeld, als Modellkommune im Energiespar-Contracting, kurz ESC, auch von der Deutschen Energie-Agentur (dena) unterstützt, hat mit dieser Energiedienstleistung die ersten Schritte eingeleitet – in dieser Größenordnung einmalig in NRW. Auch NRW.Energy4Climate begleitet die Stadt Krefeld auf ihrem Weg, mittels ESC langfristig die Energiekosten und die damit verbundenen CO2-Emissionen in ihren eigenen Liegenschaften zu senken. Im Interview berichtet Rachid Jaghou, Leiter des Zentralen Gebäudemanagements der Stadtverwaltung, über die praktische Umsetzung der ESC-Projekte. 

 

Der Stadt Krefeld gehören um die 700 Gebäude – wie fängt man da überhaupt an mit dem Energiesparen? 

Für mich gilt: anfangen und nicht lange darüber diskutieren und reden, sondern die ersten Schritte einleiten – und dann stetig die Ergebnisse auswerten und diskutieren. Für den Anfang war aber unerlässlich, dass wir schon 2019 eine umfangreiche Gebäudebestandsanalyse durchgeführt haben. Wichtig für uns war es, den baulichen und energetischen Zustand festzustellen. Dadurch haben wir schon seit mehreren Jahren ein informatives Gebäudekataster. Dies hilft uns heute vor allem vor dem Hintergrund des riesigen Gebäudeumfangs und dem damit verbundenen finanziellen und personellen Aufwänden. Und dann haben wir uns entschieden, als Lösungshilfe das Modell des Energiespar-Contractings einzusetzen.  

 

Zu dieser Entscheidung für das Energiespar-Contracting, liegt sogar auch ein eigener Ratsbeschluss vor. Warum war das wichtig? 

Wir brauchten für so ein großes Projekt den politischen Rückhalt. Die Haushaltslage gestaltet sich bei vielen Kommunen auch in Zukunft schwierig. Wir müssen uns deshalb strategisch aufstellen, die Aufgaben priorisieren. Wir haben klargemacht, dass man so eine flächendeckende energetische Sanierung der Liegenschaften als Kommune weder finanziell noch personell allein stemmen kann. Dafür benötigen wir private Partner. Dieses Geschäftsmodell gibt es in Deutschland bereits seit 20 Jahren, ist aber vielen nicht bekannt. Beim ESC überträgt die Kommune Aufgaben rund um die Energieeffizienzsteigerung ihres Gebäudes auf einen spezialisierten Energiedienstleister, den sogenannten Contractor. Dieser verringert durch Optimierungsmaßnahmen den Energiebedarf und -verbrauch des Gebäudes und finanziert mit den Einsparungen seine Investitionen. Das ist eine Win-Win Lösung, bei der uns auch NRW.Energy4Climate bei der Projektsteuerung und -kommunikation fachlich begleitet. Durch das ESC werden energetische Sanierungsvorhaben auch bei schwieriger finanzieller Lage von Kommunen überhaupt ermöglicht. Glücklicherweise sind wir zudem ESC-Modellkommune bei der Deutschen Energie-Agentur, wodurch wir auch von dieser Stelle Unterstützung erfahren.  
 

Das erste ESC-Modellvorhaben ist nun mit einem Vergabeverfahren gestartet – wie zufrieden sind Sie mit dem Verlauf bisher? 

Wir haben insgesamt vier Gebäude-Pools, welche circa 40 Liegenschaften mit rund 100 Gebäuden beinhalten. Wir sind kürzlich mit dem ersten Gebäude-Pool, der 14 Liegenschaften und rund 36 Gebäuden entspricht, in ein zweistufiges Vergabeverfahren gestartet. Vorangegangen ist eine Markterkundung in Krefeld, bei der wir sehr viele Contracting-Dienstleister aus ganz Deutschland angesprochen haben. Diesen haben wir die Ziele der Stadt, das ESC und die damit verbundenen Möglichkeiten erläutert. Wir wollten erfahren: Wie sind die Marktteilnehmer aufgestellt? Gibt es Interesse an solchen Modellen? Und das Interesse war wirklich groß. Das macht mich sehr zuversichtlich, dass wir hier gute Ergebnisse erzielen werden. Die erste Stufe des Vergabeverfahrens haben wir jetzt abgeschlossen. Die nächsten Schritte sind die Analyse und Angebotserstellung. Wir hoffen, dass wir Anfang des nächsten Jahres einen Auftrag erteilen können.  

 

Welche Maßnahmen sind bei diesem Gebäudepool hauptsächlich angedacht? 

Wir haben in diesem ersten Pool überwiegend Gebäude, die beispielsweise unter Denkmalschutz stehen, wo also nicht viel an der Gebäudehülle gemacht werden kann. Daher haben wir den Schwerpunkt auf das klassische ESC, das sich auf die Anlagentechnik zur Wärmeerzeugung bezieht, gesetzt. Darüber hinaus geht es um Gebäudeautomation, die Umrüstung auf LED-Beleuchtung sowie die Regelungstechnik. Ferner spielen auch Themen wie Photovoltaik eine Rolle. Also all das, was an dem Gebäude gemacht werden kann, ohne dass an der Gebäudehülle gearbeitet werden muss. Die gewonnenen Erfahrungen aus dem ersten Pool nutzen wir, um an eventuellen Stellschrauben noch einmal zu drehen, um das ESC dann großflächiger anzugehen. Dann ist es nicht ausgeschlossen, vielleicht zwei oder drei Pools parallel laufen zu lassen. 

 

Wie lange werden bei Ihnen die Verträge mit den Partnern laufen, damit sich die Kosten für die Dienstleister amortisieren? 

Wir orientieren uns sehr stark an dem Leitfaden der Deutschen Energie-Agentur. Unser Interesse ist natürlich, keine Baukostenzuschüsse zu generieren, um den Haushalts- beziehungsweise den Wirtschaftsplan im Gebäudemanagement nicht zu belasten. Deswegen rechnen wir damit, solange wir bei dem klassischen ESC-Modell bleiben, dass sich die Kosten dafür im besten Fall über die entsprechenden Vertragslaufzeiten amortisieren. Dann läuft ein Vertrag voraussichtlich um die zehn bis 15 Jahre. In den weiteren Pools, in denen wir dann auch an die Gebäudehülle gehen, wird es wohl nicht ohne Baukostenzuschüsse gehen. Wir möchten uns aber die Optionen offenhalten und vielleicht auch über eine längere Laufzeit die Baukostenzuschüsse zumindest geringhalten. 

 
In wie weit werden die Stadtwerke Krefeld in den Prozess des Energiespar-Contractings mit eingebunden? 

Berücksichtigen muss man, dass die Stadt Krefeld laufende Verträge mit dem örtlichen Energieversorger hat. Durch die Energieeinsparmaßnahmen benötigen wir künftig weniger Energie als ursprünglich einmal vereinbart. Das hat also Auswirkungen auf laufende Energieverträge. Dies macht eine gute Abstimmung mit dem Energieversorger notwendig. Wir sind hier in einem ständigen Austausch und wollen den Energieversorger vor Ort in diesem Prozess mitnehmen. Wir würden uns sehr freuen, wenn örtliche Energieversorger auch an solchen Ausschreibungen teilnehmen, sich entsprechend aufstellen und ihre Geschäftsfelder um solche Dienstleistungen erweitern, und somit dann auch in dem Bereich Partner werden können. 

 
Welche Empfehlung können Sie anderen Kommunen bei der Einführung von ESC geben – was sollte man unbedingt beachten?  

Kommunen sollten erst einmal mit dem klassischen ESC beginnen und dort Erfahrungen sammeln. Genügend Personal sollte eingeplant werden, um alle erforderlichen Daten zusammentragen zu können und die Begehungen mit den Bietern zu organisieren und zu begleiten. Und ganz wichtig: Einen regelmäßigen und offenen Austausch mit internen und externen Akteuren pflegen. 

 

Weitere Informationen zum Energiespar-Contracting bei NRW.Energy4Climate 

 

Praxisbeispiel zu Energiespar-Contracting aus dem Märkischen Kreis

Das denkmalgeschützte Gebäude der Tapetenfabrik Heeder & Co. von 1906 wird seit 1989 als städtisches Kulturzentrum der Stadt Krefeld genutzt. Aktuell werden vom Contractor für Gebäude wie dieses Maßnahmen geprüft wie die Erneuerung der Wärmeerzeuger.

Rachid Jaghou, Leiter des Zentralen Gebäudemanagements der Stadtverwaltung Krefeld