Im Fokus: Das Bürgerenergiegesetz NRW

16.02.2024

Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat am 15. Dezember 2023 das „Gesetz über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an der Windenergienutzung in Nordrhein-Westfalen (Bürgerenergiegesetz NRW - BürgEnG)“ beschlossen. Damit führt das Land NRW eine verpflichtende finanzielle Beteiligung von Bürger:innen und Gemeinden bei der Errichtung neuer Windenergieanlagen ein. Das Gesetz ist am 28. Dezember 2023 in Kraft getreten. Benedikt Operhalsky, Fachexperte für Energierecht, erklärt, was es mit dem Gesetz auf sich hat.

Der Grundgedanke des Bürgerenergiegesetzes ist es, die Akzeptanz des notwendigen Windenergieausbaus durch eine verpflichtende Beteiligung der Bürger:innen sowie der Gemeinden, in denen die Windenergieanlage steht („Standortgemeinde“), zu stärken. Das Gesetz erkennt dabei die bereits gelebten, unterschiedlichsten Formen der finanziellen und gesellschaftsrechtlichen Beteiligungs- sowie Teilhabeformen an. Gerade diese vielfach sehr erfolgreichen Beteiligungsformen will es nicht ersetzen, sondern weiterhin ermöglichen. Und gleichzeitig eine Beteiligung jener Bürger:innen und Gemeinden gewährleisten, bei denen eine solche bisher nicht stattgefunden hat.

 

Kern des Gesetzes ist daher eine von dem Vorhabenträger mit der Standortgemeinde zu schließende Beteiligungsvereinbarung. Diese soll Beteiligungsmöglichkeiten für die Standortgemeinde und die Gemeinden im Umkreis von zweieinhalb Kilometern um die Turmmitte einer Windenergieanlage vorsehen („beteiligungsberechtigte Gemeinden"). Genauso müssen in der Vereinbarung aber auch finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger:innen vorgesehen werden, die zum Zeitpunkt der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung seit mindestens drei Monaten ihren Haupt- oder Nebenwohnsitz innerhalb der entsprechenden Gemeinde haben.

 

Das Bürgerenergiegesetz nimmt alle Vorhabenträger in die Pflicht, die die Errichtung von genehmigungsbedürftigen Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen nach § 4 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz oder den vollständigen Austausch von Anlagen bei einem Repowering planen. Ausgenommen von der Beteiligungspflicht nach dem Bürgerenergiegesetz sind unter anderem Bürgerenergiegesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 15 EEG oder Vorhaben, die in erster Linie der Entwicklung und Erprobung neuer Anlagen dienen.

 

Die Beteiligungsvereinbarung kann flexibel an die Bedürfnisse vor Ort ausgerichtet werden. Das Gesetz sieht hier lediglich eine – nicht abschließende – Aufzählung von Beteiligungsmöglichkeiten vor. Hierzu gehören unter anderem Angebote

  • über eine Beteiligung an der Projektgesellschaft des Vorhabens,
  • über den Kauf einer oder mehrerer Windenergieanlagen,
  • über die finanzielle Beteiligung über Anlageprodukte,
  • für vergünstigte lokale Stromtarife oder Sparprodukte,
  • in Form von pauschalen Zahlungen an einen definierten Kreis von Anwohner:innen,
  • über die Finanzierung gemeinnütziger Stiftungen oder Vereine oder
  • über die finanzielle, gesellschaftsrechtliche oder anderweitige Beteiligung von Bürgerenergiegesellschaften, Genossenschaften, Gemeinden oder im überwiegenden Eigentum der beteiligungsberechtigten Gemeinden stehenden Unternehmen.

Die Flexibilität in der Ausgestaltung der Beteiligungsvereinbarung geht dabei so weit, dass Vorhabenträger und Standortgemeinde auch gesonderte Beteiligungsmodelle für die direkten Anwohner:innen in einem Umkreis von zweieinhalb Kilometern um eine Anlage eines Vorhabens vorsehen können.

 

Wenn Standortgemeinde und Vorhabenträger sich nicht auf eine Beteiligungsvereinbarung einigen können, dann greift die sogenannte Ersatzbeteiligung nach § 8 Bürgerenergiegesetz. Dieses der Beteiligungsvereinbarung nachrangige Modell der Beteiligung umfasst ein Angebot des Vorhabenträgers zur Zahlung von 0,2 Cent pro erzeugte Kilowattstunde über 20 Jahre ab Inbetriebnahme an die beteiligungsberechtigte(n) Gemeinde(n) sowie eine Offerte für eine Eigenkapitalbeteiligung in Form eines Nachrangdarlehens an den beteiligungsberechtigten Personenkreis. Das Gesetz definiert hierfür das mindestens zu erfüllende Beteiligungsvolumen und die Mindest- und Maximalanlagesummen.

 

Für den Fall, dass der Vorhabenträger nicht oder nicht in vollem Umfang seiner Verpflichtung zur Ersatzbeteiligung nachkommt, kann ihn die zuständige Behörde auf Antrag der Gemeinde zu einer Ausgleichsabgabe in Höhe von 0,8 Cent pro Kilowattstunde so lange verpflichten, bis dieser der Verpflichtung zur Ersatzbeteiligung wieder in vollem Umfang nachkommt (§ 9 Bürgerenergiegesetz). Das Gesetz sieht für die Gemeinde ferner einen Katalog von Maßnahmen vor, für die die Mittel aus der Ersatzbeteiligung oder der Ausgleichsabgabe zur Steigerung der Akzeptanz für die Windenergievorhaben verwendet werden sollen.

 

Außerdem wird zur Erhaltung und Steigerung der Akzeptanz für Windenergievorhaben derzeit noch die sogenannte „Transparenzplattform“ eingerichtet. Sie soll wichtige Informationen, weiterführende Hinweise und die Ausgestaltung der finanziellen Beteiligung öffentlich zur Verfügung stellen.

 

Der komplette Gesetzestext ist unter folgendem Link online abrufbar: Bürgerenergiegesetz NRW