Einsteigen und umsteigen auf emissionsfreie Flotten – Testevent für klimafreundliche Lkws und Hilfestellungen

26.06.2024

Schwere Nutzfahrzeuge verursachen derzeit etwa ein Drittel der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor. Die Umstellung auf emissionsfreie Antriebsarten in Fuhrparks wie in Transport und Logistik ist somit ein wichtiger Hebel für den Klimaschutz. Über die Vorteile und Chancen einer klimagerechten Fuhrparkumstellung und auf dem Markt verfügbare batterieelektrische oder mit Wasserstoff betriebene Lkw konnten sich Teilnehmende nun im Rahmen eines Test- und Fahrevents informieren. Ein zeitgleich zur Veranstaltung veröffentlichter Leitfaden bietet zudem Hilfestellung und Informationen rund um den Umstieg auf klimafreundliche Flotten.


Es brummt kaum hörbar aus dem Motorraum, eher sirrt es - im Hintergrund sind weiter die Vögel zwitschernd zu hören. Dabei handelt es sich um ein 44 Tonnen schweres Fahrzeug, das von 0 auf 90 km/h in 40 Sekunden beschleunigt. „Man würde kaum glauben, dass man sich bei einem Fahrevent für Lkws befindet, phänomenal wie leise das ist", sagt Melanie Niethammer, Betriebsleiterin bei einer großen deutschen Spedition, begeistert. Gemeinsam mit ihrem Kollegen ist sie Teilnehmerin beim ersten von NRW.Energy4Climate organisierten Test- und Fahrevent.  22 klimafreundliche batterieelektrische oder mit Wasserstoff betriebene Nutzfahrzeuge konnten die rund 200 Teilnehmenden im Aldenhoven Testing Center Ende Juni ganz aus der Nähe anschauen, sich informieren und vor allem Probe fahren.

 

Vom 44-Tonner bis zum Abrollkipper, Müllfahrzeug oder Kehrmaschine - im Fokus der Veranstaltung standen die derzeit auf dem Markt verfügbaren klimafreundlichen Nutzfahrzeuge sowie die Vorteile und Chancen einer klimagerechten Fuhrparkumstellung. Auf der ovalen zwei Kilometer langen Teststrecke mit Steilkurven konnte das Fahrzeugverhalten in den verschiedenen Modellen ausgiebig getestet werden.

 

„Einen ersten vollelektrischen Kühlauflieger haben wir bereits angeschafft, nun wäre eine CO2-neutrale Zugmaschine schön." Dann geht Niethammer weiter und steigt ins Fahrerhaus des nächsten Fahrzeugs. Auch Martin Ideler, der am Flughafen Düsseldorf das Fahrzeugmanagement leitet, will sich umschauen. Der Flughafen will bis 2035 klimaneutral sein, das heißt auch die mehr als 400 eigenen Fahrzeuge - vom Polo bis zum Feuerwehrfahrzeug - müssen umgestellt werden. Auf dem Flughafengelände geplant ist der Bau einer Wasserstofftankstelle für Busse, Sonder- und Nutzfahrzeuge. Für elektrisch angetriebene Fahrzeuge des Fuhrparks gibt es bereits Ladeinfrastruktur auf dem Gelände. „Im Bereich bis 3,5 Tonnen Fahrzeuggewicht haben wir bereits sehr gut auf elektrische Antriebe umgestellt, aber gerade bei den größeren Fahrzeugen will ich mich informieren, was der Markt mittlerweile so anbietet", berichtet er.

 

Großes Potenzial für Klimaschutz in NRW 

Der Herstellermarkt ist noch im Aufbau und wächst stetig, das Potenzial durch klimafreundliche Antriebe ist riesig: Fast 800.000 Straßengüterfahrzeuge sind in NRW unterwegs.

Benedikt Althaus, stellvertretender Geschäftsführer des Landesverbands für Transportlogistik und Entsorgung betont: „Die Anschaffung bedeutet Planung und ist ein Prozess - es gibt nicht den einen richtigen Lkw für alle, sondern nur den richtigen Lkw für die eigene Anwendung. Eine eierlegende Wollmilchsau ist so nicht möglich."

 

Gerade bei kürzeren Routen im innerstädtischen Verkehr oder der "Letzten-Meile-Logistik" sind meist batterieelektrische Antriebe gut für die Anwendungszwecke geeignet, u. a. die Batterietechnik und Ladeleistungen verzeichneten erhebliche Fortschritte in den letzten Jahren.

Auf längeren Strecken über 250 Kilometer Länge wiederum bieten brennstoffzellenbetriebene Fahrzeuge Speditionen derzeit Vorteile durch ihre höheren Reichweiten - auch bedingt durch das geringere Gewicht der Wasserstofftanks im Vergleich zu Batterien.

Durch die Vielfalt an Technologieoptionen ist die Planung nicht immer leicht für die Branche.  Sie wünschen sich entsprechende Anpassungen bei gesetzlichen Rahmenbedingungen und Planungssicherheit auch mit Hilfe von Bundes-Förderprogrammen. Stellv. Verbandsgeschäftsführer Althaus sieht NRW auf Landesebene bereits relativ weit vorne. Das Land unterstütze mit entsprechenden Rahmenbedingungen, setze passende Impulse.

 

Unternehmen berichten aus der Praxis der Fuhrparkumstellung

Markus Störmann, Geschäftsführer der H. Gautzsch Spedition und Logistik hat sich von etwaigen Herausforderungen nicht aufhalten lassen, die Umstellung auf alternative Antriebe zu starten. „Wir haben einfach gemacht", berichtet er.  Er berichtet von den durchaus vorhandenen Herausforderungen und "Lessons Learnt" im Zuge der Anschaffung eines E-LKWs und der zugehörigen Ladeinfrastruktur (Charger) - und zieht bislang eine positive Bilanz: „In 58 Tagen im Einsatz hat das Fahrzeug 35.000 kWh verbraucht bei 26.000 Kilometern Laufleistung und 650 Kilometern Reichweite im Schnitt - ich finde, das kann sich sehen lassen." Und fügt er hinzu: "Unsere Fahrer haben sehr viel Freude an dem Auto, es ist sehr leise, beschleunigt super, das macht einfach Laune."

 

Auch Torsten Oldhues hat schon Erfahrung mit alternativen Antrieben - er ist Geschäftsführer bei der Havi Logistics GmbH, einem Logistikanbieter für die Systemgastronomie, darunter Mc Donalds, Nordsee oder Vapiano. Die Anforderungen seiner Kund:innen mit täglichen Fahrten auf regelmäßigen vielfach innerstädtischen Routen eignen sich gut für alternative batterieelektrische Antriebe, berichtet er. Europaweit sind derzeit noch verschiedenste Kraftstoffe und Antriebe im Einsatz, darunter auch Bio-LNG. Als Mitglied der Science Based Targets Initiative hat sich sein Unternehmen 50 Prozent weniger CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 zum Ziel gesetzt. Gleichzeitig sieht er auch die wirtschaftliche Notwendigkeit, entschieden auf klimafreundliche Antriebe zu setzen: „Sollten in Zukunft Verbrenner in Innenstädten verboten werden, dann wären wir mit unseren Liefergebieten direkt davon betroffen", so Oldhues.

 

Leitfaden bietet Hilfestellung

„Es macht Sinn, sich jetzt mit dem Thema zu beschäftigen, auch wenn die Anschaffung vielleicht erst in zwei oder drei Jahren ansteht“, plädierte auch Stefan Leuchten, Referatsleiter im NRW-Wirtschaftsministerium  zu Beginn des Testtags. „Wir wollen Sie dafür begeistern, dass sie jetzt in die E-Mobilität einsteigen.“

Helfen soll dabei auch der zeitgleich von NRW.Energy4Climate veröffentlichte Leitfaden "Emissionsfreie Flotten – Ein Praxisleitfaden für Logistikunternehmen und Speditionen". Er gibt zusätzliche Hilfestellung, wie der Umstieg von Verbrennern auf eine emissionsfreie Flotte gelingen kann und bietet unter anderem eine Übersicht über die Angebote und Fördermöglichkeiten der Landesregierung.

 

Im Online-Workshop „Emissionsfreie schwere Nutzfahrzeuge und Arbeitsmaschinen in Kommunen“ am 12. September 2024 werden zudem Konzepte vorgestellt, wie Akteure bei der Umstellung auf emissionsfreie Nutzfahrzeuge vorgehen können.




Impressionen vom Test- und Fahrevent: