Potenziale von Biomasse mit Gesamtstrategie steigern

12.01.2023

Kurzinterview zum Diskussionspapier „Nachhaltiger Einsatz von Biomasse“ mit Dr. Nico Schneider, Projektmanager Industrie und Produktion, und Dr. Petr Tluka, Projektmanager Energiewirtschaft aus dem Autorenteam der Publikation:


Warum beleuchtet die Publikation das Thema Biomasse schwerpunktmäßig von zwei Seiten – einmal aus Sicht von Industrie und Produktion, und einmal aus Sicht der Energiewirtschaft?

 

Schneider: Biomasse dient primär der Ernährungssicherung und zum Umwelt- sowie Klimaschutz und wird darüber hinaus in bekannten Branchen wie die Papier-, Textil- oder Baustoffindustrie vielfach als Rohstoff eingesetzt – Tendenz steigend. Allerdings nimmt der Bedarf an Biomasse auch in weiteren Branchen zu, die für ihre Produkte Biomasse – oder vielmehr den darin enthaltenen Kohlenstoff – als Ersatz für fossilen Kohlenstoff benötigen werden, zum Beispiel in der Chemiebranche. Demnach gehört zur vollständigen Darstellung des Biomasseeinsatzes auch die aktuelle und künftige industrielle Verwendung von Biomasse.

 

Tluka: Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien gelingt es uns zunehmend, Bereiche, die in der Vergangenheit von der energetischen Biomassenutzung geprägt waren, mit anderen Technologien abzudecken. Die prominentesten Beispiele sind dabei der Einsatz von Wärmepumpen bei der Wärmeversorgung oder die Elektrifizierung der Mobilität. Dadurch kann die Biomasse in anderen, höherwertigen Bereichen, eingesetzt werden.

Es geht also dabei nicht um die Begrenzung der Nutzung oder noch weniger um die Begrenzung der Verfügbarmachung von Biomasse, sondern den Einsatz bei den Anwendungen, die die höchste Systemrelevanz aufweisen oder von anderen Technologien nicht abgedeckt werden können. Deswegen ist es notwendig, sowohl die Anwendungsfälle als auch die Bioenergie im Kontext der Energiewirtschaft genauer zu betrachten.

 

Warum ist ein gezielterer Einsatz von Biomasse, der die Industrie mehr berücksichtigt, aus Ihrer Sicht so wichtig?

Schneider: Im Allgemeinen ist Biomasse eine begrenzte Ressource und das Biomasse-Angebot limitiert. Demgegenüber steigt die Nachfrage nach biogenen Stoffen rapide, da immer mehr Branchen und Industrien auf nachhaltige und fossilfreie Produkte und Prozesse setzen und Biomasse hier eine alternative Ressource darstellt. Demnach ist ein strategischer und priorisierter Einsatz von Biomasse unumgänglich.

Durch eine zielgerichtete Kaskadennutzung, also der mehrmaligen Verwendung von Biomasse in idealerweise mehreren Wertschöpfungsschritten können so zum einen möglichst viele Anwendungs- und Einsatzfelder bedient werden. Zum anderen werden so aber überhaupt auch erst dringend benötigte Potenziale von biogenen Nebenprodukten, Rückständen sowie Rest- und Abfallstoffen erschlossen.
 

Was sind Ihre Forderungen im Diskussionspapier, vor allem in Richtung Politik?

Tluka: Die Potenziale von Biomasse müssen gesteigert werden, jedoch nur im Rahmen einer Gesamtstrategie, die eine Kaskadennutzung vorsieht und die Alternativen der Biomassenutzung analysiert und mit geeigneten Rahmenbedingungen forciert. Wir sind auf dem richtigen Weg, den Energiesektor zu defossilisieren. Der Einsatz von Gas, Öl und Kohle beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Strom- und Wärmeproduktion sowie auf den Einsatz von Kraftstoffen.

 

Unter anderem in der Industrie gibt es viele Prozesse, die zwar defossilisiert werden können, jedoch weiterhin auf den Einsatz von Kohlenstoff angewiesen sind. Diese Anwendungen müssen in einer gesamten Biomasse- oder weiter gefasst Kohlenstoff-Strategie verstärkt betrachtet werden, damit Biomasse da eingesetzt wird, wo eine Dekarbonisierung nicht möglich ist oder wo Biomasse durch dessen Eigenschaften besondere systemdienliche Aufgaben leistet.  

 

Gerne stehen Ihnen die Autor:innen des Diskussionspapiers für Interviews zur Verfügung.

 

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