Infrastruktur

Wie Lastmanagement oder Energiespeicher eine Versorgungslücke schließen können.

Im Zuge des Ladeinfrastrukturaufbaus tritt häufig das Problem einer begrenzten Netzkapazität auf. Informationen zu einem möglichen Umgang finden Sie hier.

Während das Ladenetz für Pkw in Nordrhein-Westfalen bereits gut ausgebaut ist, existieren bisher erst einzelne Standorte mit Lkw-Ladepunkten. Der Netzanschluss dieser Ladepunkte ist oft schwierig, da diese perspektivisch bis zu 1 MW zur Verfügung stellen – im Gegensatz zu einem Schnellladepunkt für Pkw, welcher max. 350 kW anbietet oder Normalladepunkten mit maximal 22 kW. Natürlich ist auch im Pkw-Bereich die Gesamtleistung relevant, da beim parallelen Laden die Einzelleistungen addiert werden müssen. Gleiches gilt auch für nicht-öffentliche Lademöglichkeiten, beispielsweise auf Speditionshöfen, in Tiefgaragen oder Parkhäusern.

Netzseitige Hürden

Zur ausreichenden Versorgung der Ladestationen ist die Stromnetzinfrastruktur von zentraler Bedeutung. Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass die Netzkapazitäten im Verteilnetz vielerorts begrenzt sind. Der Netzausbaubedarf allein in NRW beläuft sich laut einer Studie aus dem Jahr 2021 auf über 130.000 km bis 2040 (davon 60 % in der Niederspannungsebene).

Möglichkeiten für Ladeinfrastruktur bei schlechter Netzanbindung

Um Ladeinfrastruktur auch an Standorten mit schlechter Netzanbindung realisieren zu können, gibt es verschiedene Optionen. Diese lassen sich unterteilen in gesteuertes Laden und Speichermöglichkeiten, wobei beide Möglichkeiten auch miteinander kombiniert werden können. Da bereits eine Vielzahl an Angeboten am Markt verfügbar ist, können sich die Anwendenden diejenige Lösung aussuchen, die ihren Anforderungen am besten entspricht.

Gesteuertes Laden

Beim gesteuerten Laden geht es darum, die vorhandene Kapazität optimal über die Zeit zu verteilen. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn es Flexibilität hinsichtlich der zeitlichen Verteilung der Ladevorgänge der Fahrzeuge gibt.

Ein großer Vorteil des gesteuerten Ladens ist, dass der Preis nicht steigt, je mehr Ladepunkte angeschlossen werden. Wird jedoch zu einem bestimmten Zeitpunkt eine größere Energiemenge benötigt, als über die Netze transportiert werden kann, kann das gesteuerte Laden die Energiemenge nicht erhöhen und ein Speicher wird notwendig.

Lademanagement

Eine beliebte Lösung für die Realisierung von Ladeinfrastruktur bei nicht ausreichender Netzkapazität ist der Einsatz eines Lademanagements. Der Begriff Lademanagement bezieht sich auf eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Ausgestaltung des gesteuerten Ladens.

Die einfachste Möglichkeit ist hier das statische Lastmanagement, wobei die verfügbare Leistung auf die Anzahl der Ladepunkte oder der ladenden Fahrzeuge verteilt wird. Neben dieser einfachen Möglichkeit ist auch eine Vielzahl weiterer Leistungsverteilungen möglich.

Es können einzelne Fahrzeuge oder Ladepunkte priorisiert werden, an denen immer die maximale Leistung zur Verfügung steht und andere, an denen nur das Residuum der Leistung angeboten wird. Haben die priorisierten Fahrzeuge dann ihren maximalen oder den angestrebten Ladezustand/SOC („state of charge“) erreicht, wird anderen Fahrzeugen wieder mehr Ladeleistung zur Verfügung gestellt. Dabei kann die Priorisierung der Fahrzeuge anhand der Reihenfolge des Anschlusses erfolgen oder aber nach beliebigen anderen Regeln. Sind die Fahrzeiten und -strecken bekannt, kann die Leistung effizient genau nach Bedarf verteilt werden.

Welche Regeln hier möglich sind, ist vom jeweiligen Lademanagementanbieter abhängig. Vor dem Erwerb eines solchen Systems sollte daher darauf geachtet werden, welche Anforderungen gestellt werden. Aufgrund der Vielzahl an Anbietern sind bereits für viele Anwendungsfälle fertige Lösungen am Markt.

Praxisbeispiel:

Im Rahmen verschiedener sogenannter Reallabore, die die Netze BWdurchgeführt hat, zeigte sich, dass der Einsatz eines Lademanagements im Bereich des Heimladens die Ladezeiten nur geringfügig verlängerte und eine hohe Akzeptanz erfuhr.

 

Abregelung

Eine weitere Möglichkeit zur optimalen Nutzung der Netzkapazität ist die Abregelung. Hier stellt der Netzbetreiber zwar im Regelfall sicher, dass eine zugesagte Leistung zur Verfügung steht. Kommt es aber zu Lastspitzen, kann der Netzbetreiber die Leistung, die für die Ladung eines Elektrofahrzeugs bereitgestellt wird, reduzieren. Den rechtlichen Rahmen dafür setzt § 14a EnWG. Für die Abregelung erhalten die Nutzer:innen dann eine Vergütung durch den Netzbetreiber.

Um diese Möglichkeit zu nutzen, müssen die Verbraucher:innen mit dem Netzbetreiber eine Vereinbarung über die netzorientierte Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen abschließen. Als steuerbare Verbrauchseinrichtungen gelten nach § 14a Absatz 3 EnWG „insbesondere Wärmepumpen, nicht öffentlich-zugängliche Ladepunkte für Elektromobile, Anlagen zur Erzeugung von Kälte oder zur Speicherung elektrischer Energie und Nachtstromspeicherheizungen.“ Diese Möglichkeit kann also nur für nicht-öffentliche Ladepunkte genutzt werden. Wird der Ladepunkt nach dem 1.1.2024 in Betrieb genommen, besteht die Pflicht zur Teilnahme an der netzorientierten Steuerung.

Weiterhin muss ein sogenanntes intelligentes Messsystem (iMSys) vorhanden sein, um einen solchen Vertrag schließen zu können. Im Gegensatz zu einer modernen Messeinrichtung kann ein iMSys den Stromverbrauch nicht nur in Echtzeit anzeigen, sondern erlaubt auch die direkte Kommunikation zum Energieversorger oder zum Stromnetz. Falls der Jahresverbrauch 6.000 kWh übersteigt, müssen Messstellen zukünftig mit einem iMSys ausgestattet werden.

Die Bundesnetzagentur hat zwei Möglichkeiten für Entgeltmodelle für die Abrechnung entwickelt, die seit 2024 angeboten werden müssen:

  1. Pauschale Vergütung: Der Netzbetreiber zahlt dem Anschlussinhaber einen festen Betrag pro Jahr und steuerbarer Verbrauchseinrichtung. Dieser liegt je nach Netzgebiet zwischen 110 und 190 Euro (brutto).
  2. Reduzierung des Netzentgelts: Das Netzentgelt kann um 60 Prozent reduziert werden. Dies ist allerdings nur möglich, wenn die steuerbare Verbrauchseinrichtung einen eigenen Zählerpunkt hat.

Welche Vergütungsmöglichkeit im Einzelfall lukrativer ist, muss individuell geprüft werden.

Preissignale für netzdienliches Laden

Wurde für die Möglichkeit der Abregelung durch den Netzbetreiber die pauschale Vergütung gewählt, können sich Kund:innen ab April 2025 zusätzlich für ein zeitvariables Netzentgelt entschieden. Hierbei werden durch den Netzbetreiber Preisstufen für unterschiedliche Tageszeiten festgelegt, die aus der typischen Auslastung des Netzes resultieren.

Speicher

Falls keine Flexibilität bezüglich der Ladedauer oder des Verteilens verschiedener Ladevorgänge besteht, kann der Einsatz eines Pufferspeichers notwendig werden. In diesem Fall wird die Netzkapazität zwar ebenfalls nicht erhöht, aber die Energie innerhalb der Zeit zwischengespeichert, in der kein Fahrzeug geladen wird. Dadurch steht während des Ladens eine höhere Leistung zur Verfügung, als in derselben Zeit netzseitig bereitgestellt werden kann.

Besonders sinnvoll ist die Kombination eines Speichers mit einer Photovoltaikanlage, um so – je nach Strombedarf – oft sogar weitestgehend unabhängig von der Netzkapazität zu werden. Überschüssigen Strom können die Anlagenbetreiber ins Netz einspeisen. Dadurch werden nicht nur Stromkosten gespart, sondern zusätzlich Einnahmen durch den Verkauf der Energie generiert.

Vorteile:

  • Maximale Flexibilität
  • Unabhängigkeit von Strompreisen (z. B. Laden bei günstigeren Stromtarifen)
  • Autarkie durch Kombination mit Photovoltaik (Überschussstromspeicherung und -einsparung)
  • Möglichkeit zur Abregelung mit dem Netzbetreiber (Kostensenkung)

Nachteile:

  • Hohe Anschaffungskosten (580 - 710 €/kWh für Gewerbespeicher)
  • Flächenbedarf (bis zu 50 % mehr Platzbedarf)
  • Leistungsverluste (10 - 20 % höhere Stromkosten)
  • Hoher Aufwand für Installation und Betrieb

Energiespeicher bieten Vorteile, haben aber auch ihren Preis. Ob sich die Investition lohnt, hängt von den individuellen Bedürfnissen und Rahmenbedingungen ab. Vor- und Nachteile müssen sorgfältig abgewogen und Stromkosten, die Größe der Photovoltaikanlage und das Lademuster berücksichtigt werden.

 

Zusatzinformationen:

  • Detaillierte Informationen zu Wirkungsgraden von Energiespeichern auf Seite 60 der Studie zum bidirektionalen Laden.
  • Praxis-Projekt E-Mobility-Chaussee der Netze BW.

 

Praxisbeispiel:

Ein Beispiel für die Nutzung eines Batteriespeichers zur Versorgung von Ladeinfrastruktur ist der Ladepark am Autobahnkreuz Hilden in Nordrhein-Westfalen. Dort befinden sich zurzeit 40 Tesla-Supercharger, 22 Schnellladepunkte, sowie weitere 40 Normalladepunkte. Ein Batteriespeicher mit einer Gesamtkapazität von zwei Megawattstunden befindet sich bereits im Betrieb und soll zukünftig die auf dem Gelände des Ladeparks erzeugte Energie aus eine Photovoltaikanlage sowie zwei kleineren Windrädern zwischenspeichern.

 

Abgesehen von den klassischen Energiespeichern gibt es noch einige speziellere Speicher:

 

 

Second-life-Speicher

Bei Second-life-Speichern handelt es sich um ausrangierte Speichereinheiten, beispielsweise aus Elektroautos. Deren Einsatz ist einzeln oft nicht mehr sinnvoll, weil die Kapazität bereits deutlich abgenommen hat. Nimmt man allerdings viele dieser ausrangierten Speichereinheiten zusammen, ist die Kapazität durchaus noch ausreichend für viele andere Anwendungen. Diese Speicher haben den Vorteil, dass sie in der Anschaffung deutlich günstiger sind, weil es sich um bereits genutzte Speichermodule handelt. Die Verfügbarkeit wird in den nächsten Jahren noch deutlich ansteigen, wenn viele batterieelektrische Fahrzeuge das Ende ihrer Lebensdauer erreichen.

Schwungradspeicher

Zum Betreiben von Ladeinfrastruktur kommt neben chemischen Batteriespeichern auch der Einsatz eines Schwungradspeichers infrage. Hierbei handelt es sich um eine mechanische Speichertechnik. Durch die Beschleunigung eines Schwungrads wird Energie hier in Form von kinetischer Energie gespeichert.

Vorteile

  • Langlebig
  • Wartungsarm
  • Relativ günstig (gegenüber Lithium-Ionen Speichern)

Nachteile

  • Hoher Leistungsverlust (Bester Wirkungsgrad bei Verwendung als Kurzzeitspeicher)
  • Hohes Gewicht

Eine genaue Aufschlüsselung der Kosten verschiedener Speichersysteme findet sich auf Seite 60 der Studie Bidirektionales Laden in Deutschland – Marktentwicklung und Potenziale.

Praxisbeispiel:

Ein Beispiel für einen Schwungradspeicher, der bereits in Benutzung ist, findet sich im Premier Inn in Leipzig. Dort wird ein Schwungradspeicher genutzt, um mehrere Ladesäulen zu versorgen.

Redox-Flow-Batterie

Für größere Energiemengen bieten sich Redox-Flow-Batterien an, deren Energieinhalt unabhängig von der Leistung skaliert werden kann. Weitere Vorteile sind die Zyklenfestigkeit, damit verbunden eine lange Lebensdauer, die Sicherheit und keine Begrenzung der Entladetiefe. Allerdings weisen sie aufgrund der Nutzung von flüssigen Elektrolytlösungen eine geringere Speicherdichte als Lithium-Ionen-Batterien auf, was zu größerem Platzbedarf und höherem Gewicht führt. Für den stationären Einsatz z. B. an einem Autobahnparkplatz oder auf einem Firmengelände sollte dies kein Hindernis darstellen. Zudem sind diese Systeme, die bisher von wenigen Herstellern angeboten werden, noch vergleichsweise teuer, wobei der Systempreis stark vom aktuellen Preis des verwendeten Schwermetalls abhängt und variiert.

Bidirektioniales Laden

Beim bidirektionalen Laden wird ein Fahrzeug während seiner Standzeit als Speicher für andere Anwendungen genutzt. Ein großer Vorteil besteht darin, dass kein separater Speicher angeschafft werden muss, da die bereits vorhandene Batterie des Elektrofahrzeugs genutzt werden kann.  Voraussetzung hierfür ist die Anschaffung einer bidirektionalen Ladeinfrastruktur und das Vorhandensein eines oder mehrerer batterieelektrischer Fahrzeuge, die für das bidirektionale Laden freigegeben sind. Derzeit sind aufgrund fehlender Standardisierung nur proprietäre Systeme einzelner Hersteller verfügbar.

Ob die Anwendung von bidirektionalem Laden sinnvoll ist, hängt stark vom Anwendungsfall ab. Insbesondere muss es Fahrzeuge geben, die eine gewisse Zeit lang nicht genutzt werden und somit überhaupt als Speicher dienen können. Dies kann z. B. im privaten Haushalt der Fall sein: Wird das Auto in den Abendstunden nicht genutzt, während das Haus geheizt wird und viele energieintensive Haushaltsgeräte in Betrieb sind, kann es als Pufferspeicher dienen. Ebenso können beispielsweise auf dem Gelände eines Unternehmens die Fahrzeuge tagsüber als Pufferspeicher genutzt werden, um Maschinen etc. zu betreiben. Allerdings ist zu beachten, dass, falls mehrere Fahrzeuge gleichzeitig als Pufferspeicher dienen sollen, für alle Fahrzeuge eine bidirektionale Ladeinfrastruktur angeschafft werden muss.

Ihr Kontakt

Dr. Manuel C. Schaloske

Bereichsleiter Mobilität

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