„Wie kann Repowering gelingen?“– Interview mit Tilo Wachter

15.01.2025

Tilo Wachter ist Geschäftsführer der Beratungs- und Planungsgesellschaft renerco plan consult GmbH und Referent für Repowering beim Bundesverband Windenergie e.V.

Herr Wachter, welchen Hintergrund in der Windenergiebranche haben Sie und welche Erfahrungen haben Sie bereits mit Repowering-Projekten gemacht?

Tilo Wachter: Als renerco plan consult bieten wir unter anderem die Planung von Windparks an. Diese umfasst bei uns die landschaftsplanerische Seite, die Wahl der Anlagentechnik, die Netzanschlussbeschaffung und -planung sowie Wind- und Emissionsgutachten, Genehmigungsmanagement und Baubegleitung. Unsere ersten Planungsprojekte haben wir ab 2013 in Bayern umgesetzt – vor der 10H-Regelung. Mittlerweile arbeiten wir bundesweit, auch in Nordrhein-Westfalen. Repowering-Projekte sind inzwischen auch auf unserer Referenzliste. Privat bin ich seit 1998 an einem kleinen Windparkprojekt beteiligt. Hier haben wir schon 2010 die beiden kleinen 1998 errichteten 400kW-Anlagen durch eine Neuanlage ersetzt. Die müsste eigentlich auch schon wieder repowert werden. Aufgrund der Microsituation vor Ort gestaltet sich dies aber leider eher schwierig.

Wie beurteilen Sie die energiewirtschaftliche Relevanz von Repowering angesichts der aktuellen Entwicklung der Windenergie? Wie sehen die regionalen Unterschiede in Deutschland aus?

Tilo Wachter: Repowering hat eine enorme energiewirtschaftliche Bedeutung. Man kann unter Nutzung der gleichbleibenden Fläche zum einen erheblich mehr Leistung installieren. Zum anderen erzielt man mit den höheren Anlagen zusätzlich deutlich mehr Volllaststunden. Regional gibt es insofern Unterschiede, als dass manche Bundesländer über ihre Planungsvorgaben das Repowering besonders gefördert haben. Bayern hatte als trauriges Gegenbeispiel nicht nur den Neubau, sondern auch das Repowering durch die 10H-Regelung praktisch zum Erliegen gebracht.

Zu welchem Zeitpunkt der Betriebszeit einer Windenergieanlage sollte sich der Windparkeigentümer über ein mögliches Repowering-Projekt Gedanken machen – auch im Kontext der bauplanungsrechtlichen Erleichterungen bis 2030?

Tilo Wachter: Generell empfiehlt sich eine frühzeitige Herangehensweise. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass man dann als Projekteigentümer eher Herr des Verfahrens bleibt: Man hat noch eine längere EEG-Vergütung und die Pachtverträge drohen noch nicht unmittelbar auszulaufen. Man kann also aus einer Situation der Stärke heraus verhandeln – mit Behörden, Grundeigentümern etc.
Außerdem sollte man nicht außer Acht lassen, dass derzeit die meisten Altstandorte grundsätzlich repowering-fähig sind, was die planungsrechtlichen Vorgaben angeht. Dies endet jedoch mit dem Zeitpunkt, ab dem im jeweiligen Bundesland eine ausreichende Flächenkulisse für Windenergie ausgewiesen worden ist. Ab diesem Zeitpunkt kann für Altanlagen, die außerhalb dieser Flächen liegen, die derzeitige positive Rechtslage entfallen. Ein Repowering wird damit unmöglich.
Ein Repowering kann sich auch schon vor Ablauf der EEG-Vergütung lohnen. Es werden auch viele Anlagen vor Ablauf repowert. Heutige Anlagen haben zum Beispiel eine doppelt so hohe Leistung wie zehn Jahre alte Anlagen und zusätzlich mehr Volllaststunden aufgrund des Höhenvorteils. Generell kann man sich nach zehn Betriebsjahren erste Gedanken zum Repowering machen.

Wie sieht der typische Zeitrahmen für die Planung und Umsetzung eines Repowering-Projekts aus? Und welche Schritte sind währenddessen erforderlich?

Tilo Wachter: Bis vor kurzem gab es letztlich kaum Unterschiede, die einen systematischen Vorteil für Repowering-Projekte bewirkt hätten. Außer vielleicht, dass tendenziell der Widerstand vor Ort für ein Repowering-Projekt tendenziell niedriger ist.
Mit der neuen Gesetzgebung besteht die konkrete Hoffnung, dass vieles schneller geht. Denn es ist ja im Grundsatz nur zu überprüfen, ob es keine Verschlechterung gegenüber dem Status quo gibt. Zudem wurden allgemein Verfahrensvereinfachungen eingeführt.
Wie sich das dann konkret im Einzelfall auswirkt, gilt es zu beobachten. Generell wird aber immer ein Zeitraum von mindestens drei Jahren – von der ersten Idee bis zur Inbetriebnahme – einzukalkulieren sein.
Üblicherweise gliedert sich ein Repowering-Projekt in mehrere Etappen: eine Machbarkeitsprüfung, die eigentliche Planungsphase, den Genehmigungsprozess, die Ausführungsplanung und Ausschreibung und die anschließende Bauumsetzung.

Welche Standorte sind für ein Repowering-Projekt besonders gut geeignet? Welche Kriterien spielen dabei eine Rolle? 

Tilo Wachter: Generell ist für einen Windpark der Ertrag entscheidend. Von daher sind alle ertragsreichen sehr alten Parks besonders gut geeignet. Wobei man aber nicht vergessen darf, dass mit den neuen Anlagengenerationen auch Parks in die Wirtschaftlichkeitszone rutschen können, die bisher keine reine Freude für die Betreibenden sind.

Welche Aspekte müssen in einer Machbarkeitsprüfung für das Repowering betrachtet werden? Wann rechnet sich ein Repowering-Projekt wirtschaftlich?

Tilo Wachter: Zuerst sollte die planungsrechtliche Situation in einer einfach zu absolvierenden Vorprüfung evaluiert werden. Stellt sich diese positiv dar, müsste anschließend ein erstes grobes Parklayout mit überschlägiger Ertrags- und Kostenermittlung erfolgen. Gleichzeitig sollte überschlägig untersucht werden, ob es offensichtliche Genehmigungsrisiken gibt. 
Letztlich rechnet sich ein Repowering-Projekt, wenn der Kapitalwert des Weiterbetriebs kleiner als der Kapitalwert des Repowering ist. Die Anzahl der Einflussparameter ist im Einzelfall aber so groß und unterschiedlich, dass keine allgemeine Antwort möglich ist, sondern jeder Fall einzeln betrachtet werden muss.

Welche wirtschaftlichen Vorteile bieten Repowering-Projekte im Vergleich zu Neubauten oder dem Weiterbetrieb der Altanlagen?

Tilo Wachter: Ein wesentlicher Aspekt ist, dass sich die Laufzeit des Projekts um weitere 20 bis 30 Jahre verlängert, also Erträge weit in die Zukunft generiert werden können. Individuell gesehen ist die Lage komplex: Einerseits muss mit deutlich höheren Investitionskosten gerechnet werden als für den alten Windpark erforderlich waren. Andererseits steigen aber auch die erzeugten Strommengen und Einnahmen aufgrund höherer Leistung und Volllaststunden. Diese Strommengen werden jedoch im Vergleich zu damals durch das EEG schlechter vergütet.
Bei einem Weiterbetrieb muss man mit zunehmenden Anlagenalter mit steigenden Wartungskosten rechnen. Dies könnte es erschweren, die Anlage überhaupt betriebsfähig zu halten. Dabei kommt es auch auf die geplante Weiterbetriebsdauer an. Kurzfristig kann man die Anlage kostenreduziert auf Verschleiß fahren, ein langfristiger Betrieb erfordert prinzipiell höhere Kosten.
Gegenüber einer reinen Greenfield-Entwicklung besteht ein gewisses Einsparpotenzial, weil die bereits geschaffene Wegeinfrastruktur genutzt werden kann und Recyclingmaterial aus den alten Standortflächen wieder eingebaut werden kann. Auch Ausgaben für den Eingriff in das Landschaftsbild fallen nicht mehr an. Dies sollte man aber vor dem Hintergrund der Gesamtinvestition nicht überbewerten.

Welche Risiken oder Versagensgründe können im Zusammenhang mit einem Repowering-Projekt stehen? Unterscheiden sich diese von Risiken anderer Windenergievorhaben?

Tilo Wachter: Generell sind die Risiken eines Repowering-Projekts als niedriger zu bewerten. Im Vergleich zur Greenfield-Entwicklung bestehen zum einen günstigere planungsrechtliche Voraussetzungen. Zum anderen kommt im BImSchG-Verfahren in wesentlichen kritischen Punkten (Naturschutz, Emission) eine Differenzbetrachtung zur Anwendung. Diese besagt, dass sich gegenüber dem Status Quo keine Verschlechterung ergeben darf. Generell kann man sagen: Dadurch, dass anschließend weniger Anlagen mit höherem Rotor gebaut werden, reduziert sich die Gesamtbelastung. Von daher sollte die Differenzbetrachtung im Regelfall positiv ausfallen.

Wie läuft das Genehmigungsverfahren eines Repowering-Projekts ab? Gibt es Unterschiede zu Genehmigungsverfahren von Neuanlagen?

Tilo Wachter: In beiden Fällen handelt es sich um ein Verfahren nach BImschG. Unter bestimmten Bedingungen – wenn der Antragsteller der Altbetreiber ist – kann auch eine Änderungsgenehmigung beantragt werden.
Generell kann man davon ausgehen, dass der Prüfumfang eines Repowering-Projekts geringer ist als für eine Greenfield-Entwicklung. In vielen Punkten ist nur eine Delta-Prüfung zwischen dem alten und neuen Zustand erforderlich. Wenn sich keine Verschlechterung ergibt, ist die Anlage zu genehmigen. Dies betrifft insbesondere den Immissionsschutz sowie naturschutzfachliche Umstände. Von daher sollte ein Verfahren für ein Repowering-Projekt im Vergleich schneller laufen. Außerhalb des Genehmigungsverfahrens gibt es ebenfalls tendenziell positive Umstände. So ist insbesondere von einer gewissen „Gewöhnung“ an Windenergie auszugehen. Dies sollte die Widerstände vor Ort reduzieren.

Inwiefern können lokale Gemeinden oder Bürgerenergiegenossenschaften in ein Repowering-Projekt einbezogen werden und welche Vorteile ergeben sich daraus für alle beteiligten Parteien?

Tilo Wachter: Hier gilt generell das Gleiche wie für jedes Windprojekt: Beteiligt man lokale Interessensvertreter:innen an einem solchen Projekt – über die Möglichkeiten des EEG, über eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung etc. – schafft man ein positiveres Klima für das Projekt. Dadurch gibt es vor Ort mehr Zustimmung als Ablehnung. Dies reduziert das Risiko, dass rechtliche Mittel eingelegt werden, vereinfacht die erforderliche Flächensicherung etc.

Haben Sie abschließend noch grundsätzliche Ratschläge oder Empfehlungen für Projektierer:innen, die ein Repowering-Projekt in Betracht ziehen? Wie sehen Sie die Zukunft von Repowering-Projekten für die Windenergiebranche?

Tilo Wachter: Grundsätzlich würde ich allen Betreiber:innen eines Altparks empfehlen, die Möglichkeit ernsthaft zu eruieren. Die Überprüfung der planungsrechtlichen Situation und eine erste Machbarkeitsabschätzung sind vom Aufwand her überschaubar. Wenn man sich selbst nicht in der Lage sieht, die Aufgabe zu bewältigen, gibt es viele Interessent:innen, die in ein solches Projekt einsteigen wollen. Partnerschaft oder Verkauf sind interessante Alternativen, um am langfristigen Wert eines Repowering-Projekts zu profitieren. Von daher sollte man zumindest die ersten Schritte – recht frühzeitig – einleiten.
Mit der jetzigen Gesetzgebung wird das Repowering für die Windenergiebranche ein wachsendes und auch dauerhaftes Thema bleiben. Wir reden dabei nicht nur über den Ersatz von Anlagen der 1-MW-Klasse. Auch Anlagen, die ab 2010 mit Leistungen über 2 MW errichtet wurden, gehören – bezogen auf ihre Anlagenleistung – eigentlich heute schon zum „alten Eisen“.
Gerade angesichts der Flächenknappheit stellt das Repowering ein gewaltiges Potenzial dar, mit dem ohne zusätzliche Akzeptanzprobleme die Gesamtleistung und Anzahl der Volllaststunden der Windkraft in der Bundesrepublik erhöht werden kann.