Wasserstoff in der Wärmewende – Differenzieren und Priorisieren hilft den Kommunen
20.06.2024
Expert:innen diskutierten bei einer Kooperationsveranstaltung in Kerpen die mögliche Rolle des Wasserstoffs in der Wärmewende. Eine differenzierte Betrachtung ist für Entscheider:innen in Kommunen zentral, um jetzt schnelle Entscheidungen für ihre Wärmeplanung treffen zu können.
Insbesondere seit der gesetzlichen Verpflichtung zur kommunalen Wärmeplanung treibt die Frage nach der Rolle von Wasserstoff in der künftigen Wärmeversorgung viele Kommunen in NRW um. So auch in der Region Köln/Bonn. Aus diesem Grund haben die NRW.Klimanetzwerker:innen von NRW.Energy4Climate aus der Region Köln/Bonn und das Energie-Kompetenz-Zentrum Kerpen-Horrem Kommunalvertreter:innen der Region Ende Mai zur Veranstaltung „Welche Lösungsperspektiven bietet Wasserstoff in der kommunalen Wärmeplanung“ eingeladen. Ihre – zum Teil unterschiedlichen – Perspektiven machten Vertreter:innen aus Politik, Wissenschaft und Verbänden deutlich, namentlich die Deutsche Umwelthilfe, der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs (DGVW), das energiewissenschaftliche Institut an der Universität zu Köln, die RWTH Aachen sowie das Ökozentrum NRW.
Die Veranstaltung hat gezeigt, wie wichtig dieser differenzierte Blick auf das Thema Wasserstoff ist. „Wir müssen zwischen der Rolle von Wasserstoff für die Energiewende allgemein, für industrielle Wärmeanwendungen – insbesondere mit hohen Temperaturen – und für Raumwärmeanwendungen unterscheiden“, erklärte Carsten Petersdorff, Leiter des Bereichs Wärme und Gebäude bei NRW.Energy4Climate. „Dadurch ergibt sich auch ein differenziertes Bild für die Rolle von Wasserstoff in der kommunalen Wärmeplanung, abhängig von der lokalen Situation.“
NRW-Landesregierung: kein Vorrang in der Raumwärme
Das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie vertritt in der Frage nach der Nutzung von Wasserstoff eine klare Position: „Es ist davon auszugehen, dass künftig nicht genügend klimaneutraler Wasserstoff für alle Anwendungsbereiche von Anfang an zur Verfügung stehen wird. Daher soll Wasserstoff vorrangig dort zum Einsatz kommen, wo andere Alternativen nicht ausreichen, etwa in der Stahlindustrie und weiteren industriellen Zweigen. Im Raumwärmebereich stehen andere Versorgungsmöglichkeiten, wie Wärmenetze oder Wärmepumpen, zur Verfügung, die dem Einsatz von Wasserstoff vorgezogen werden sollten“, erklärte Ministerin Mona Neubaur in ihrer Videobotschaft.
Bestätigt wurde diese Position auch von der Deutschen Umwelthilfe, deren Vertreterin deutlich hervorhob, dass Deutschland aktuell weit davon entfernt sei, grünen Wasserstoff nutzen zu können. Anders sah das der DGVW, der mit der zukünftigen weltweiten Verfügbarkeit von Wasserstoff und der Eigung der bestehenden deutschen Gasinfrastruktur argumentierte. Konsens aller Referent:innen war, dass Wasserstoff nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Rolle bei der kommunalen Wärmeplanung spielen könne. Dazu zählten beispielsweise das Vorhandensein eines Elekrolyseurs oder ein Anschluss an das geplante Wasserstoffkernnetz, das laut nationaler Wasserstoffstrategie bis 2032 fertiggestellt werden soll.
„Die Rolle von Wasserstoff im Raumwärmebereich wird eine andere sein als die, die fossile Gase derzeit im Raumwärmebereich haben. Das sollte allen bewusst sein, die sich mit der kommunalen Wärmeplanung auseinandersetzen. Wasserstoff wird eine entscheidende Rolle in der Energiewende spielen, wesentlich für Industrieprozesse, Mobilität und die Spitzen der Strom- und Wärmeproduktion“, erklärte Petersdorff.
Vorausschauende Infrastrukturentscheidungen treffen
Eindringlich betont wurde auch die Notwendigkeit, trotz aller beschriebenen Unklarheiten wegweisende Infrastrukturentscheidungen zeitnah zu treffen, da die heutigen Entscheidungen die Weichen für das System der Zukunft stellen. Dass dies auch eine interessante soziale Komponente besitzt, zeigte Prof. Dr. Stefan Böschen, Inhaber des Lehrstuhls Technik und Gesellschaft an der RWTH Aachen, in seiner Keynote. Wir seien es als Gesellschaft gewohnt, in zentral organisierten Lösungen zu denken. Die Wärmewende hingegen sei ein prototypisches Beispiel für eine dezentrale Lösungsstrategie, die vernetzt stattfinden muss.. Der Strukturwandel mit dem jetzt erzwungenen Infrastrukturumbau sei somit auch als Demokratiearbeit zu verstehen.
Generell war das Plädoyer aller Referent:innen, jetzt mutig in die Umsetzung zu gehen und alle Optionen zu nutzen – von der Reduktion des Verbrauchs bis hin zur Erschließung erneuerbarer Wärmequellen. Die ideale Zukunftsvision bestünde aus einem bunten, vielfältigen Lösungsraum, der zentrale und dezentrale Antworten verbinde und genügend Mitstreiter:innen mobilisiere, die den Mut hätten, auszuprobieren, wo Wasserstoff eine gute Lösung sein könne.
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