Solarpaket 1 verabschiedet – Was ändert sich für den Ausbau der Solarenergie?
13.05.2024
Ende April wurde das sogenannte Solarpaket 1 sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat verabschiedet. Jonas Klamka, Projektmanager Energiewirtschaft bei NRW.Energy4Climate, ordnet das neue Gesetz ein.
Hinter dem Solarpaket 1 steckt das lang erwartete „Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung.” Ziel des Gesetzes ist es, den Ausbau der Solarenergie zu steigern, zu vereinfachen und zu beschleunigen. Als ein Eckpfeiler der Energieversorgung von heute und morgen kommt dem Ausbau der Solarenergie eine bedeutende Rolle zu – bis 2030 müssen in Deutschland Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 130 Gigawatt zugebaut werden, um die Ausbauziele aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu erreichen und auf dem Pfad zur Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 zu bleiben. Dazu hat die Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen beschlossen.
Mehr Photovoltaik auf Dächern und an Gebäuden
Der Betrieb von Balkonkraftwerken, also Solarmodulen, die beispielsweise an Brüstungen von Balkonen befestigt werden können, erfahren durch die verabschiedeten Maßnahmen deutliche Erleichterungen, um schnell und bürokratiearm die Energiewende auch in die urbanen Räume zu den Mietenden zu bringen. Zukünftig können Balkonkraftwerke – die im EEG als Steckersolargeräte bezeichnet werden – mit einer Leistung von bis zu 2000 Watt und einer Wechselrichterleistung von 800 Voltampere betrieben werden, ohne diese beim Netzbetreiber anmelden zu müssen. Zusätzlich dürfen die Geräte nun übergangsweise auch mit alten Ferraris-Zählern betrieben werden. Diese laufen bei Netzeinspeisung aus den kleinen Solaranlagen rückwärts und reduzieren damit die Energiekosten der Betreiber:innen.
Eine weitere Maßnahme, um die Teilhabe an der Energiewende unter anderem in Mehrparteienhäusern zu ermöglichen, ist die Schaffung des neuen Instruments der „Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“. Dieses ermöglicht es, innerhalb eines Gebäudes den Strom aus einer PV-Anlage bürokratiearm zu teilen und gemeinsam zu nutzen, wenn die Strommengen durch intelligente Messsysteme viertelstündlich gemessen werden.
Durch die „Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“ werden hauptsächlich Vermieter:innen und Mieter:innen adressiert, für die das nach dem EEG geförderte Mieterstrommodell nicht in Frage kommt. Dies trifft in der Regel zu, wenn es sich um Wohn- oder Gewerbeobjekte mit einer geringeren Anzahl an Mieteinheiten handelt. Für große Objekte und Wohnquartiere wurden Maßnahmen ergriffen, um den geförderten Mieterstrom attraktiver auszugestalten, in dem die Regeln zur Zusammenfassung von PV-Anlagen vereinfacht wurden, der Kreis der Mieterstrombeziehenden auch auf rein gewerbliche Konstellationen erweitert wurde und die Nutzung von Flächen auf Nebenanlagen, wie beispielsweise Garagen, ermöglicht wurde.
Die Vergütung für Dachanlagen mit mehr als 40 Kilowatt Leistung wird um 1,5 Cent pro Kilowattstunde angehoben. Im Segment der großen Dachanlagen, deren Vergütung in wettbewerblichen Bieterverfahren ermittelt wird, gab es ebenfalls zwei Anpassungen. Zum einen wurde die Grenze, ab der die Teilnahme an Ausschreibungsverfahren verpflichtend ist, auf 750 Kilowatt abgesenkt, zum anderen wurden dementsprechend die Ausschreibungsmengen in diesem Segment erhöht.
Eine weitere Vereinfachung ermöglicht das Solarpaket durch die Flexibilisierung der Direktvermarktungspflicht im Bereich von 100 bis 200 Kilowatt. Bislang mussten Anlagen, die sich aufgrund ihrer Größer in der verpflichtenden Direktvermarktung befinden, auch für die geringen Überschussmengen ein Direktvermarktungsunternehmen finden, selbst wenn der überwiegende Teil der Erzeugung vor Ort genutzt wird. Die Vermarktung dieser Reststrommengen erzeugt für die Anlagenbesitzer zusätzliche Kosten und ist für Direktvermarktungsunternehmen wirtschaftlich uninteressant. Zukünftig kann im Bereich von 100 bis 200 Kilowatt auf die verpflichtende Direktvermarktung verzichtet werden und die überschüssigen Strommengen ohne Vergütung ins Netz gespeist werden. Für Anlagen, die vor 2026 in Betrieb genommen wurden, gilt eine höhere Obergrenze von 400 Kilowatt.
Ausbau im Freiflächenbereich stärken und beschleunigen
Mit den nun beschlossenen gesetzlichen Anpassungen sollen auch neue Impulse für die Photovoltaiknutzung auf Freiflächen entstehen. Die sogenannten besonderen Solaranlagen – hierzu gehören unter anderem schwimmende Solaranlagen und Anlagen über Parkplatzflächen oder landwirtschaftlich genutzten Flächen (Stichwort: Agri-PV) – bekommen ein eigenes Untersegment im Ausschreibungsverfahren der Bundesnetzagentur und einen eigenen Gebotshöchstwert von 9,5 Cent pro Kilowattstunde. In diesem Jahr werden voraussichtlich noch zwei Ausschreibungsrunden (Juli und November) mit jeweils 150 Megawatt Volumen stattfinden. Die Ausschreibungsmengen steigen in diesem Untersegment in den kommenden Jahren schrittweise auf bis zu 2075 Megawatt pro Jahr.
Mit den beschlossenen Änderungen wird auch die bisherige Logik der Länderöffnungsklausel umgekehrt. Bisher mussten sich die Bundesländer – wie beispielsweise NRW im Jahr 2022 – aktiv dafür entscheiden, die sogenannten benachteiligten Gebiete für die geförderte Nutzung von Solaranlagen zu öffnen. Zukünftig wird diese Option durch eine Opt-Out-Regelung ersetzt. Solaranlagen in benachteiligten Gebieten sind damit zunächst per se förderfähig und die Bundesländer können erst bei der Erfüllung bestimmter Zubauwerte, die Förderung auf diesen Flächen einschränken.
Der im Gesetzentwurf von Oktober 2023 vorgesehene Bonus für Biodiversitäts-Photovoltaik ist indes nicht Teil des verabschiedeten Solarpakets. Anstelle dessen sollen fünf naturschutzfachliche Kriterien dazu beitragen, die Vereinbarkeit von Solarparks mit Natur und Landschaft weiter zu verbessern. Zukünftig müssen alle geförderten Freiflächen-Photovoltaikanlagen mindestens drei der fünf Kriterien erfüllen. Die Kriterien adressieren dabei unter anderem die durch die Anlage überdeckte Fläche, stellen Anforderungen bezüglich der Durchgängigkeit für Kleintiere oder erfordern weitere biodiversitätsfördernde Maßnahmen wie regional angepasstes Saatgut oder eine angepasste Mahd.
Des Weiteren wurde die Gebotshöchstmenge angepasst. Bislang lag diese bei 20 Megawatt und wird jetzt auf 50 Megawatt erhöht. Damit lassen sich zukünftig auch größere Projekte über das EEG fördern.
Größere Erwartungen wurden in die Änderungen des Rechts zur Verlegung von Anschlussleitungen für Erneuerbare-Energien-Anlagen auf Grundstücken sowie Verkehrswegen gesteckt, da eine etwaige Duldungspflicht die Trassensicherung und damit den Netzanschluss für Betreiber deutlich erleichtert und somit Vorhaben beschleunigt hätte. Die Duldungspflicht richtet sich im beschlossenen Gesetz jedoch nur an Flächen, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden.
Momentum nutzen und weitere Verbesserungen auf den Weg bringen
Mit dem Solarpaket 1 wurden wichtige Maßnahmen ergriffen, um den Ausbau der Solarenergie zu stärken. Besonders hinsichtlich der Teilhabe der Bürger:innen an der Energiewende haben sich Dinge zum Positiven entwickelt. Mit der Einführung der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ist ein erster wichtiger Schritt in Richtung Energy Sharing erfolgt. Auch die explizite Berücksichtigung der besonderen Solaranlagen in einem eigenen Untersegment ist zu begrüßen und man darf gespannt sein, wie die ersten Ausschreibungsrunden ausfallen.
Hinweis: Teile des Gesetzes – insbesondere bzgl. der Ausschreibungsmengen sowie der Gebotshöchstwerte – stehen noch unter beihilferechtlichem Genehmigungsvorbehalt der Europäischen Union.