Kurzfriststrategie Negativemissionen: „Die richtigen Anreize sind entscheidend“
12.03.2025
Die dauerhafte Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre – Carbon Dioxide Removal, kurz CDR – ist ein wichtiger Baustein, um die Klimaziele zu erreichen. Mit Hilfe von CDR-Technologien sollen unvermeidbare Restemissionen durch negative Emissionen ausgeglichen werden können. Auch IN4climate.NRW, der unter dem Dach von NRW.Energy4Climate arbeitende Thinktank, setzt sich für das Thema ein. NRW.Energy4Climate-Fachexperte Domenik Treß, der den Stakeholder-Dialog zu CDR mit Wirtschaft, Wissenschaft und Politik organisiert, weist als Co-Autor in einer aktuellen SWP-Publikation auf die Notwendigkeit einer "Kurzfriststrategie Negativemissionen" hin, damit die Skalierung von CDR-Technologien rechtzeitig gelingt.
Auf Bundesebene wird seit letztem Jahr an einer Langfriststrategie Negativemissionen gearbeitet – In eurem Policy Paper schlagt ihr nun eine Kurzfriststrategie vor - warum?
Bisher diskutieren wir noch viel über Ziele, Mengen und das Zusammenspiel zwischen technischen und natürlichen Senken. Klar ist: Wir werden beides brauchen und die zukünftig nötige Skalierung ist sehr ambitioniert. Gerade mit Blick auf industrielle Anwendungen sehen wir aber, dass schon heute in bestimmten Industriesektoren – zum Beispiel Zement, Kalk oder Abfallbehandlung – Investitionsentscheidungen anstehen, die Synergien zu Negativemissionen haben. Noch reichen dafür die Anreize nicht aus. Der Aufbau von CCS-Anlagen und CO2-Infrastrukturen ist kapitalintensiv und benötigt einen Vorlauf von mehreren Jahren. Daher ist es entscheidend, schon sehr kurzfristig die richtigen Anreize zu setzen, damit Anfang der 2030er-Jahre dann auch tatsächlich die ersten Anlagen stehen, die Negativemissionen produzieren. Hinzu kommt, dass bisher die USA eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung von CDR-Technologien hatten. Die aktuelle US-Regierung scheint hier einen Rückzieher zu machen, sodass die EU, Deutschland und insbesondere auch NRW als Industrieland sich zum zentralen Standort für diese Zukunftstechnologien entwickeln können. Gerade auch der exportorientierte Anlagenbau könnte hiervon profitieren.
Welche Maßnahmen sollte eine Kurzfriststrategie beinhalten?
Es wird noch einige Jahre dauern, bis sich ein europäischer Markt für abgeschiedenes CO2 entwickelt hat. Bis dahin gilt es eine Brücke zu bauen, damit die industrielle Skalierung beginnt. In unserem Papier analysieren Felix Schenuit von der Stiftung Wissenschaft und Politik und ich vier konkrete und umsetzbare Politikoptionen mit Vorbildern in anderen Ländern: Pauschale Steuergutschriften, direkte öffentliche Nachfrage, Differenzverträge und wettbewerbliche Auktionen. Jedes dieser Instrumente hat Vor- und Nachteile, aber alle sind geeignet, Investitionen zeitlich vorzuziehen und somit einen Markthochlauf anzureizen. Darüber hinaus ist es wichtig, den Blick auf Synergien und kurzfristig leicht zu erreichende Kapazitäten zu richten. Im Vergleich besonders einfach lässt sich CO2 beispielsweise an Anlagen abscheiden wie Zement- oder Kalkwerken, Müll- oder Klärschlammverbrennungsanlagen oder auch an anderen bestehenden Anlagen, die biogene Reststoffe energetisch verwerten.
Im Rahmen unseres Thinktanks IN4climate.NRW arbeitet ihr zu CDR: Mit welchen Ergebnissen und welche Rolle spielen die Zusammenarbeit zwischen Industrieunternehmen, Wissenschaft und Politik bei dem Thema?
Mit Blick auf die gerade genannten Synergien zwischen dem Aufbau einer Kohlenstoffwirtschaft im Allgemeinen und dem Hochlauf von CO2-Entnahmetechnologien im Speziellen haben wir bereits letztes Jahr verschiedene Potenziale aufgezeigt. Insbesondere der Austausch mit den Industrieunternehmen hat deutlich gemacht, wie kurzfristig der bestehende Handlungsbedarf ist, weil bereits recht weit entwickelte Projekte für Negativemissionen in den Schubladen liegen. Das Bottleneck sind aktuell die fehlenden ökonomischen Anreize sowie die fehlenden gesetzlichen Grundlagen, um CCS-Technologien überhaupt anwenden zu können. Auch ohne CO2-Infrastruktur ist die nötige Skalierung nicht möglich. Es wird Jahre brauchen, bis diese in ausreichendem Maße bereitsteht.
Diesen Dialog gemeinsam mit unseren wissenschaftlichen Partnern von SCI4climate.NRW und in diesem Fall auch der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zu führen, hat dabei geholfen, das Thema ganzheitlich zu sehen und die notwendige Skalierung im Einklang mit Studien zur Treibhausgasneutralität zu betrachten. Immer wieder deutlich wurde auch, dass Negativemissionen nur wirksam werden, wenn parallel weiterhin ambitionierte Emissionsvermeidung stattfindet. Ohne reduzierte Emissionen – aber eben auch ohne den Ausbau natürlicher und technischer Senken – ist das Ziel der Treibhausgasneutralität nicht erreichbar. Es gilt daher, klug zu priorisieren, gerade mit Blick auf kurzfristig unabdingliche Handlungsfelder. Um hier Vorschläge zu entwickeln, ist der Dreiklang aus Unternehmens-, Wissenschafts- und Politikperspektive sehr wertvoll. IN4climate.NRW setzt sich auch weiterhin für den Aufbau eines nachhaltigen Carbon Managements am Industriestandort NRW ein – und damit auch für die CO2-Entnahme als Ausgleich für unvermeidbare Restemissionen.
Die vollständige Publikation “Eine Kurzfriststrategie Negativemissionen” ist zu finden auf der Webseite der Stiftung Wissenschaft und Politik unter www.swp-berlin.org/publikation.
Die IN4climate.NRW-Publikation “Carbon Dioxide in der Industrie Nordrhein-Westfalens" findet sich hier.