Heizen in der Stadt der Zukunft – Die Tiefe Geothermie im Fokus der Wärmewende

11.03.2022

Das Ziel der neuen Bundesregierung, bis 2030 50 Prozent der Wärme klimaneutral zu erzeugen, stellt viele Wärmeversorger vor eine große Herausforderung. Der Wärmesektor macht 56 Prozent des nationalen Energiebedarfs aus. Aktuell sind lediglich 15 Prozent der Wärme regenerativ. Welchen Beitrag die Geothermie zur Wärmewende leisten kann, stand im Mittelpunkt des 5. CiviTalk "Stadtwerke und Wärmewende" am 24. Februar.

Im Rahmen der Veranstaltung tauschten sich Prof. Dr. Ralf Bracke vom Fraunhofer-Institut für Energieinfrastrukturen gemeinsam mit Markus Bieder, Leiter Wärme- und Stromerzeugung der Stadtwerke Münster, sowie mit Vertreter:innen von 30 Stadtwerken aus. Organisiert und durchgeführt wurde die Veranstaltung von NRW.Energy4Climate sowie der kommunalen Kooperationsplattform Civitas Connect.

 

Die Bedeutung der Geothermie

So viel vorab: Die Tiefe Geothermie kann einen substantiellen Beitrag zur Wärmewende liefern. Ein Viertel des Wärmebedarfs in Deutschland könne sie decken, so die Ergebnisse der jüngst erschienenen Roadmap Tiefe Geothermie der Fraunhofer-Gesellschaft und der Helmholz-Gemeinschaft. Tiefe Geothermie ist witterungsunabhängig und klimaneutral, hat einen geringen Flächenbedarf und bietet zudem die Möglichkeit der Sektorenkopplung von Wärmespeicherung (bidirektionales Lastmanagement) und der Stromseite (Großwärmepumpen).

Das hydrothermale Potenzial in Deutschland beträgt etwa 300 Terawattstunden pro Jahr, was rund ein Viertel des jährlichen Wärmebedarfs in Deutschland ausmacht. Geografisch decken sich Wärmebedarfe und das Potenzialaufkommen in Deutschland weitestgehend. Dazu kommen die Potenziale der petrothermalen Geothermie, der Grubenwassernutzung, der oberflächennahen Erdwärme und der Nutzung des Untergrundes als saisonaler Wärmespeicher. Nach vorsichtigen Schätzungen vervierfacht sich das Potenzial dadurch. 

 

Geothermie in der Praxis

Dass sich die Tiefe Geothermie in der Praxis bereits bestens bewährt hat, kann die Stadt München belegen. Die Stadt hat sich schon in den 1990er Jahren der Tiefen Geothermie gewidmet und so frühzeitig eine Vorreiterrolle übernommen. Auch in Nordrhein-Westfalen wird das Potenzial tiefer Wärmequellen erkannt, wie Markus Bieder, Leiter Wärme- und Stromerzeugung und Erneuerbare Wärme bei den Stadtwerken Münster, im Rahmen der Veranstaltung darstellte.

Ebenso bringt die Stadt Bochum in NRW einiges voran bzw. in die Tiefe. Erste Geothermie-Bohrungen im Projekt „MARK 51°7“ mit einer Teufe von rund 340 Metern wurden vor kurzem am Standort der alten Zeche Dannenbaum durchgeführt. Aktuell läuft die zweite Bohrung, die eine Teufe von rund 820 Metern erreichen soll. Hier untersuchen die Stadtwerke Bochum mit dem Tochterunternehmen FUW GmbH das Energiepotenzial von Grubenwasser für eine kombinierte Wärme- und Kälteversorgung. Ziel ist, das rund 30 Grad Celsius warme Grubenwasser zu Tage zu fördern. Wärmepumpen würden es dann auf etwa 45 Grad erwärmen und in das Bochumer Wärmenetz einspeisen. Kühleres Wasser mit einer Temperatur von 18 Grad Celsius soll ebenfalls zum Einsatz kommen. (YouTube-Link zum Projekt)

 

Die Forschung steht noch am Anfang

Prof. Dr. Ralf Bracke plädierte im Rahmen der Veranstaltung dafür, sich im Bereich der Tiefen Geothermie auf die Erschließung von sogenannten hydrothermalen Reservoiren zu fokussieren. Das sind thermalwasserführende Gesteine in zwischen 400 und 5.000 Metern Teufe und Fluide mit Temperaturen zwischen 150 und 180 Grad Celsius, deren Förderung über Tiefbrunnen geschieht. Diese weisen ein hohes Potenzial auf und es sei bereits eine hohe technische Reife auf dem Gebiet vorhanden.

Allerdings steht die Forschung noch am Anfang. Prof. Bracke betonte, dass klare Ausbauziele sowie großflächige geologische Erkundung und Fachkräfteaufbau benötigt werden, um die Geothermie zeitnah für den Wärmemarkt in Deutschland auszubauen. Jedoch sind die Investitionen hoch, wenn man die Tiefe Geothermie verstärkt nutzen will. Beginnend mit der seismischen Erkundung der Vorkommen, den Bohrungen über den Ausbau von Wärmenetzen sowie der Systemintegration sind diese für kleine und mittlere Unternehmen wie viele Stadtwerke nur begrenzt tragbar. Das sind nicht unerhebliche Risiken für die Umsetzer. Insbesondere die Fündigkeitsrisiken, d.h. die Risiken, ein geothermisches Reservoir nicht ausreichend zu erschließen, seien zu berücksichtigen.

Tiefe Geothermie-Projekte in Deutschland 2021/22

Tiefe Geothermie-Projekte in Deutschland 2021/22

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