„Die deutschen Ausbaupläne zur Wasserstoffinfrastruktur sind beeindruckend“
11.12.2024
Die Genehmigung des Wasserstoffkernnetzes Ende Oktober gilt als wichtiger Meilenstein für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft und wurde bundesweit viel diskutiert. Doch wie blicken europäische Nachbarn auf diese Entwicklungen? Bereits seit 2015 arbeiten Dänemark und Nordrhein-Westfalen bei der Energiewende zusammen, u. a. der Aufbau einer gemeinsamen Infrastruktur für Transporte von Wasserstoff steht seit 2021 im Fokus der Zusammenarbeit. Im Interview kommentiert Stig Aagaard, Berater für Klima, Energie und Umwelt in der Königlich Dänischen Botschaft in Berlin die jüngsten Entwicklungen aus dänischer Perspektive.
Wie blicken Sie auf die deutschen Planungen zum Wasserstoffkernnetz?
Die deutschen Ausbaupläne zur Wasserstoffinfrastruktur sind aus dänischer Perspektive in mehrfacher Hinsicht beeindruckend: Erstens sind sie ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig eine langfristige strategische Planung in der Energiepolitik ist. Und zweitens benötigen wir sie, um unsere Wirtschaft zu modernisieren, unabhängig von fossilen Energieimporten zu werden und die Klimaziele zu erreichen. In Dänemark haben wir von einer ähnlichen strategischen Investition stark profitiert, als wir die Fernwärmeinfrastruktur aufgebaut haben, die mittlerweile zwei Drittel der nationalen Wärmeversorgung abdeckt. Diese Erfahrungen erleichtern es uns erheblich, aktuelle Herausforderungen anzugehen und gleichzeitig haben wir bereits heute eine hohe Flexibilität im Energiesystem. Die Wasserstoffinfrastruktur hat das Potenzial eine ähnliche Erfolgsgeschichte zu schreiben.
Wie wurde aus Ihrer Sicht in Dänemark die nationale Importstrategie sowie das Wasserstoff-Importkonzept NRW aufgenommen?
Aus dänischer Sicht sind sowohl die nationale Wasserstoffimportstrategie als auch das NRW-Importkonzept wichtige politische Signale, die zum Aufbau von Produktionskapazitäten und Infrastruktur in Dänemark beitragen können – sowohl von politischer Seite als auch seitens privater Investoren, die zur Wasserstoffversorgung mit wettbewerbsfähigen Preisen beitragen können. Dies ist nicht nur in unserem kurzfristigen wirtschaftlichen Interesse, sondern auch von langfristiger strategischer Bedeutung. Denn Deutschland ist Dänemarks wichtigster Handelspartner und das Wohlergehen der deutschen Wirtschaft liegt daher in unser aller Interesse.
Welche Strategie verfolgt Dänemark selbst beim Thema Wasserstoff? Welche Pläne hat die dänische Regierung, um die Infrastruktur für Wasserstoff aufzubauen und wie wird die Infrastruktur finanziert?
Aus dänischer Sicht sind die Wasserstoffproduktion und der Aufbau der Infrastruktur vor allem aus Exportsicht interessant. Von der dänischen Industrie erwarten wir keine große Nachfrage, da unsere Industrie eine andere Zusammensetzung als die deutsche hat. So gibt es keine große Grundstoffindustrie mit chemischer Produktion, bei der Wasserstoff als unverzichtbares Element gilt. Beim Infrastrukturausbau geht es daher im Wesentlichen darum, eine Verbindung von Esbjerg, dem Knotenpunkt für Ökostrom aus den Offshore-Windparks der Nordsee, bis zur dänisch-deutschen Grenze herzustellen, wo die dänische Pipeline in 2031 an das deutsche Kernnetz angeschlossen werden soll. Die Finanzierung erinnert in gewisser Weise an das deutsche Modell, da der Ausbau auf Basis einer Risikoteilung zwischen Staat und privaten Akteuren erfolgt. Die privaten Akteure beteiligen sich am Risiko, indem sie im Voraus garantieren, dass sie einen bestimmten Teil der Kapazität der Pipeline nutzen. Dies ist eine Voraussetzung für den Aufbau der Infrastruktur.
Wo möchten Sie die Zusammenarbeit mit NRW noch weiter ausbauen? Wo sehen Sie Chancen für Unternehmen auf beiden Seiten?
Für Dänemark ist die Zusammenarbeit mit NRW entscheidend, damit Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden können. Wir gehen davon aus, dass Wasserstoff, der über Pipelines transportiert wird, wettbewerbsfähiger sein wird, als solcher, der aus Drittländern per Schiff geliefert wird. Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass Dänemark zu den ersten EU-Ländern gehören wird, die grünen Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren können. Wenn jedoch keine klaren Signale hinsichtlich des Bedarfs kommuniziert werden, wird es dazu nicht kommen. Dabei kommt dem NRW-Importkonzept eine große Bedeutung zu, da es ein klares Signal für die Notwendigkeit von Importen setzt. Da NRW über eine besonders große energieintensive Industrie verfügt, besteht das Potenzial, dass allein die Nachfrage von hier ausreicht, um den Aufbau der Infrastruktur in Dänemark rentabel zu gestalten.
Mit Blick auf die jüngsten bundespolitischen Entwicklungen: Was ist Ihnen für die langfristige Zusammenarbeit mit Partnern in NRW und Deutschland - unabhängig von den jeweiligen Bundesregierungen – besonders wichtig?
Für Dänemark ist die Zusammenarbeit mit Deutschland und insbesondere den Bundesländern, die mutige politische Entscheidungen zu einer zukünftigen fossilfreien Energieversorgung treffen, von entscheidender Bedeutung. Für die nähere Zukunft Europas ist es zudem zentral, dass wir eine langfristig stabile und von Drittstaaten unabhängige Energieversorgung schaffen, die zugleich Antworten auf die Klimakrise gibt. Und dabei ist es absolut zentral, dass wir nicht in den einzelnen Regionen oder EU-Mitgliedstaaten unser eigenes Süppchen kochen, sondern gemeinsam dafür sorgen, dass unsere Potenziale zusammengedacht werden, damit wir die großen Herausforderungen meistern und eine stabile gemeinsame Grundlage für unsere Zukunft schaffen können.