"CCS ist der letzte Baustein zur Erreichung unserer Klimaziele"
05.11.2025
Der Bundestag will in Kürze das Kohlendioxid-Speicherungs- und Transportgesetz (KSpTG) beschließen. Dahinter verbirgt sich eine in manchen Bereichen unverzichtbare Klimaschutztechnologie: Carbon Capture and Storage, kurz CCS. Über die Hintergründe und strittigen Punkte im Gesetzesentwurf spricht Geschäftsführerin Dr. Katharina Schubert.
Das Speichern von CO2 ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität. Gleichzeitig kritisieren insbesondere Umweltverbände CCS. Wie bewerten Sie die Technologie?
Dr. Katharina Schubert: Es gibt Prozesse, bei denen CO2 entsteht, das wir auch durch neuartige, innovative Verfahren nicht vermeiden können. Zum Beispiel bei der Herstellung von Zement oder Kalk – beides sind Produkte, auf die wir in absehbarer Zeit nicht werden verzichten können. So benötigen wir zum Beispiel Kalk, um Trinkwasser aufzubereiten oder Zement für den Bau von Brücken und Tunneln. Um unser Klima zu schützen, muss dieses unvermeidbare CO2 aufgefangen und gespeichert werden. Die Wissenschaft ist sich einig: CCS ist sicher und für die Klimaneutralität unerlässlich. Wichtig in dem Zusammenhang ist aber auch zu betonen: Für die allermeisten Industrieprozesse gibt es heute schon gute, klimaneutrale Alternativen zu CCS. Dazu zählen in erster Linie Erneuerbare Energien und Wasserstoff zur Defossilierung der Wärmebedarfe, die beinahe jedes produzierende Unternehmen hat. Diese Technologien sollten, sofern möglich, unbedingt vorrangig zum Einsatz kommen. Nicht zuletzt auch aus wirtschaftlichen Gründen.
Anfang Oktober hat im Bundestag die erste Lesung zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes stattgefunden, in Kürze soll das Gesetz beschlossen werden. Zuvor hat der Bundesrat dem Gesetz den Rücken gestärkt. Was sind die wichtigsten Neuerungen, die mit der Novelle verbunden sind?
Dr. Katharina Schubert: Bislang sah das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) den Einsatz von CCS nur zu Forschungszwecken vor. Das soll sich nun durch das Kohlendioxid-Speicherungs- und Transportgesetz (KSpTG) ändern. Es schafft die rechtliche Grundlage für den großmaßstäblichen – und damit auch kommerziellen – Einsatz von CCS. Konkret sieht es vor, dass zukünftig die Speicherung von CO2 im Meeresgrund der Nordsee in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands erlaubt werden kann. Die Speicherung an Land, also Onshore, wird ebenfalls ermöglicht, fällt aber unter das jeweilige Landesrecht. Das heißt, die Bundesländer können selbst entscheiden, ob sie die Speicherung zulassen oder nicht. Die Novelle regelt auch den Transport von CO2 in Pipelines von den Orten seiner Entstehung zu den Speicherstätten. Hier sieht der Gesetzesentwurf sogar ein überragendes öffentliches Interesse vor: Das würde CO2-Leitungen mit Energieleitungen gleichstellen und deren Bau zusätzlich beschleunigen.
Dass CCS kommt, gilt also als sicher. Strittige Punkte im Gesetzesentwurf gibt es aber noch. Welche sind das?
Dr. Katharina Schubert: Der grundsätzlicheStreitpunkt dreht sich um die Frage, wo genau CCS erlaubt werden soll. Der Gesetzesentwurf schließt CCS an Kohlekraftwerken aus, was auch sinnvoll und richtig ist. An fossilen Gaskraftwerken hingegen soll CCS erlaubt sein. Hier gibt es Widerspruch. Zahlreiche Expertinnen und Experten sowie Verbände sind dagegen, um die sogenannten Lock-in-Effekte möglichst gering zu halten. Damit ist gemeint, dass CCS den Ausbau Erneuerbarer Energien und darauf basierender Technologien nicht bremsen darf. Prinzipiell besteht diese Gefahr natürlich, in der Praxis wird sich CCS an Gaskraftwerken der öffentlichen Versorgung, die insbesondere Regelleistung bereitstellen, allerdings kaum rechnen. Ein wirtschaftlicher Betrieb von CCS ist vor allem dann möglich, wenn Prozesse möglichst kontinuierlich mit gleicher Last gefahren werden.
In der Debatte um das KSpTG werden immer mehr Stimmen laut, die CCS auch als Lösung für Prozesse sehen, für die es eigentlich gute Alternativen gibt, Stichwort Wärmeerzeugung. Wie bewerten Sie das?
Dr. Katharina Schubert: Die Reaktionen sind durchaus nachvollziehbar. Viele Unternehmen erhoffen sich durch CCS eine schnelle Lösung zur Erreichung der Klimaneutralität, insbesondere auch, da der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft länger dauert als erwartet. Das ist aber ein Trugschluss: Weder haben wir aktuell eine klare Gesetzeslage, noch sind Genehmigungsbehörden, die die Einhaltung der dann brandneuen Regulatorik sicherstellen müssen, bislang mit CCS konfrontiert gewesen. Zudem besteht noch keinerlei Infrastruktur für CCS, geschweige denn sind für die hiesige Industrie erreichbare Speicherprojekte in Betrieb. Das alles aufzubauen, wird Zeit in Anspruch nehmen und nicht zu unterschätzende Kosten verursachen. Ich kann deswegen allen Unternehmen nur raten: Setzen Sie überall dort, wo es möglich ist, auf die heute oder in naher Zukunft verfügbaren Alternativen!
Ein paar Fragezeichen zur konkreten Umsetzung bestehen also noch. Was kann Nordrhein-Westfalen von CCS erwarten?
Dr. Katharina Schubert: Nordrhein-Westfalen ist eine der bedeutendsten Industrieregionen Europas und soll das auch bleiben. Die nordrhein-westfälische Industrie ist nicht zuletzt aus dem Grund so erfolgreich, da ihre Wertschöpfungsketten und Stoffströme eng miteinander vernetzt sind – und zwar branchenübergreifend. Der Erhalt dieses auf Vielfalt basierenden Wertschöpfungsnetzwerkes ist von entscheidender Bedeutung für Wirtschaftlichkeit und Effizienz. In 20 Jahren müssen wir klimaneutral wirtschaften. Um Industriebetriebe mit unvermeidbaren und schwer vermeidbaren Emissionen im Land zu halten, ist CCS ein unverzichtbarer Baustein. Deswegen setzt sich Nordrhein-Westfalen im Bundesrat auch dafür ein, dass es mit dem KSpTG schnell vorangeht. Die Umsetzung sollte lieber heute als morgen anlaufen, um Planbarkeit und Investitionssicherheit für die Branchen zu schaffen, die darauf angewiesen sind – und, um unser Klima zu schützen.